Süddeutsche Zeitung, 21.6.2000

Beide Zeugen im Krankenhaus

Schutz für Überlebende von Dover

Polizei befürchtet Ermordung durch die Schleuserbande

London (SZ) - Die britische Polizei fürchtet um die Sicherheit der beiden Überlebenden der Flüchtlings-Tragödie von Dover. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtete, könnten Schleuserbanden die Flüchtlinge nach Ansicht der Ermittler zum Schweigen bringen wollen. Die zwei Männer werden in Krankenhäusern behandelt und von Sicherheitskräften bewacht. Sie waren in der Nacht zum Montag zusammen mit 58 vermutlich erstickten Flüchtlingen aus China auf der Ladefläche eines nierderländischen Tomaten-Transporters entdeckt worden. Die Ermittler erhoffen sich von ihren Aussagen Hinweise auf Schleuser. Als Drahtzieher wird eine der berüchtigten "Schlangenkopf-Gangs - eine chinesische Schleuserbande - vermutet. Die niederländische Polizei durchsuchte inzwischen auf britisches Ersuchen in Rotterdam drei Häuser und verhaftete eine Person.

Auf einer Autobahn in Südspanien stoppte die spanische Polizei unterdessen einen Kleintransporter mit 36 illegalen Einwanderern aus Nordafrika. Die Flüchtlinge wurden ins Krankenhaus gebracht. Die 32 Marokkaner und vier Algerier hätten vier Tage lang nichts zu essen und kaum zu trinken gehabt. Der Fahrer, ein Spanier, wurde festgenommen.

In der Europäischen Union hat das Drama von Dover eine neue Diskussion über eine einheitliche Einwanderungs- und Asylpolitik ausgelöst. Der für Justiz und Inneres zuständige EU-Kommissar Antonio Vitorino sagte, die 15 EU-Staaten müssten ihre Politik "möglichst rasch" aufeinander abstimmen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sprachen sich im portugiesischen Feira für eine stärkere Zusammenarbeit in der EU aus, um grenzübergreifende Kriminalität zu verhindern.