Süddeutsche Zeitung, 20.6.2000

Um einen Notstand abzuwenden

Israel will Trinkwasser in der Türkei kaufen

Umgebaute Öltanker sollen Hafen von Aschdod anlaufen / Behörden kritisieren Fehlen von Entsalzungsanlagen / Von Thorsten Schmitz

Jerusalem - Die israelische Regierung hat auf Grund eines drohenden Wassernotstandes Experten in die Türkei entsandt. Sie sollen prüfen, ob Israel so viel Wasser kaufen kann, dass im Jahr 2001 eine Liefermenge von 50 Millionen Kubikmetern Wasser garantiert werden kann. Die Türkei, die mit Wasser aus Flüssen wie Euphrat und Tigris reichlich gesegnet ist, hat sich grundsätzlich bereit erklärt, Israel Wasser zu liefern. Der Chef der israelischen Wassergesellschaft "Mekorot", Amos Epstein, erklärte, die Lage sei bereits jetzt katastrophal: "Da die Wasserpegel der drei unterirdischen Reservoirs bereits jetzt einen bedrohlichen Tiefstand erreicht haben, muss Israel wahrscheinlich schon in diesem Sommer Wasser aus der Türkei importieren." Epstein, der der Türkei-Delegation angehört, hält es für "unvermeidbar", dass in diesem Jahr israelische Farmer weniger Wasser zugeteilt bekommen. Er kritisierte zum wiederholten Male, dass das von Mittelmeer und Rotem Meer umgebene Israel es "bis heute noch immer nicht fertig gebracht hat, Wasserentsalzungsanlagen zu errichten". Damit wäre das Land "alle Wasserprobleme auf einen Schlag los". Bislang haben alle israelischen Regierungen zwar den Bau von Wasserentsalzungsanlagen in Erwägung gezogen, aber aus Furcht vor einem hohen Wasserpreis für den Endverbraucher nie in Angriff genommen.

In Israel hat es in den vergangenen Wintern nur spärlich geregnet. Experten vermuten, dass der Wasserpegel des See Genezareth in diesem Jahr einen Meter unter den offiziellen Alarm-Pegel sinken wird. Der See, der vom Jordan-Fluss gespeist wird, ist eine der Hauptversorgungsquellen für die dicht besiedelte Küstenregion. Auch das Tote Meer, der tiefstgelegene See der Welt, verdunstet zusehends: Im April 1994 wurde dessen Pegel noch mit -407,5 Meter angegeben, in diesem Monat ist das Meer nach Angaben der israelischen Regierung bereits auf -413,5 Meter zurück gegangen.

Nach den Vorstellungen der Regierung soll das Wasser aus der Türkei in eigens dafür umgebauten ehemaligen Öltankern zum israelischen Hafen in Aschdod verschifft werden. Die Tanker hätten ein Volumen von 250000 Tonnen. Das Wasser werde anschließend über Pipeline in das Versorgungssystem von "Mekorot" eingespeist. Die Bewohner der palästinensischen Autonomie-Stadt Ramallah und der Umgebung kämpfen nach israelischen Medienberichten bereits seit einer Woche mit "extremem Wassermangel". Im Westjordanland seien etwa 210 000 Menschen von dem Wassermangel betroffen. Nach Angaben eines Sprechers der palästinensischen Wasserbehörde ist der Mangel der "schlimmste seit 35 Jahren". An manchen Tagen fließe nur wenige Stunden Wasser mit "extrem niedrigem Druck".