web de 18.06.2000 15:45

Türkei will notfalls anderen Panzer beschaffen

Wenn Deutschland den Leopard 2 nicht liefert - EU-Aufnahme «deutlich vor 2006» gefordert

Berlin (AP)

Die Türkei wird ihre Streitkräfte mit einem anderen Kampfpanzer modernisieren, wenn Deutschland wegen Menschenrechtsbedenken die Lieferung des Leopard 2 verweigert. Das teilte der türkische Europaminister Yüksel Yalova am Sonntag in einem Interview des Berliner Senders «Hundert,6» mit. Yalova forderte zugleich eine Aufnahme seines Landes in die Europäische Union «deutlich vor 2006». Staatsminister Christoph Zöpel vom Auswärtigen Amt reagierte in der Panzerfrage mit einem Hinweis auf die verschärften Waffenexport-Richtlinien der Bundesregierung und wies zudem die Forderung nach schnellerer EU-Aufnahme als «völlig unrealistisch» zurück.

Wenn die Bundesregierung die Exportgenehmigung für den Leopard 2 verweigere, werde für die Türkei eine nicht zu verantwortende Sicherheitslücke entstehen, sagte Yalova nach Angaben des Senders. Das türkische Heer werde die entsprechenden Anschaffungen dann anderweitig besorgen.

Die türkische Armee, die bereits über das Vorgängermodell Leopard 1 verfügt, plant die Beschaffung von rund 1.000 Leopard-2-Panzern. Ein solcher Panzer wird vom türkischen Heer seit Jahresbeginn getestet. Meldungen, wonach das Geschäft ein Volumen von 14 Milliarden Mark haben soll und die deutsche Wertschöpfung rund sechs Milliarden Mark betragen würde, waren von der Herstellerfirma Krauss-Maffei als «nicht unrealistisch» bezeichnet worden.

Die Forderung nach schnellerer EU-Aufnahme begründete Yalova damit, dass die Türkei besser vorbereitet sei als die meisten Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa. Die Türkei habe nicht die Geduld, bis 2006 zu warten. Man habe ohnehin schon genug Jahre verloren.

Zöpel sagte demselben Sender, ausschlaggebend für die Genehmigung der Panzerexporte seien die neuen Richtlinien, die Fortschritte in der Menschenrechtsfrage zur Voraussetzung machen. Es müsse sicher gestellt sein, dass die deutschen Rüstungsgüter nicht menschenrechtswidrig eingesetzt werden, insbesondere nicht in den Kurdengebieten. Dabei sei der Bundesregierung bewusst, dass sich Ankara gegebenenfalls auch bei anderen Nato-Partnern nach modernen Kampfpanzern umsehe.

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel hingegen kritisierte die Haltung der Bundesregierung in der Panzerfrage und forderte eine schnelle Entscheidung. Man könne sich nicht einerseits zum Anwalt der Türkei für einen EU-Beitritt machen und andererseits den Nato-Partner Türkei derart brüskieren.

Zöpel setzte den Zeitpunkt für einen EU-Beitritt der Türkei «irgendwann zwischen 2010 und 2020» an. Voraussetzung sei allerdings, dass die Türkei bis dahin die politischen und wirtschaftlichen Beitrittsbedingungen erfülle. Zuvor könnten bis 2005 die am besten vorbereiteten zehn Kandidaten aus Mittel- und Osteuropa und in einem zweiten Schritt bis 2010 auch Rumänien und Bulgarien aufgenommen werden.