taz Hamburg 19.6.2000

"Reisefertig" durch Medikamente

Die Glasmoorgruppe des Hamburger Flüchtlingsrates kritisiert, dass AusländerInnen in Abschiebehaft mit Psychopharmaka "reisefähig" gemacht werden. Diese Woche, so Sprecherin Gaby Hundelshausen, wolle die Ausländerbehörde die Abschiebung des Kurden Mehmet G. buchen, der regelmäßig Psychopharmaka bekommt, seit er in Haft genommen wurde. Dennoch habe ein Psychiater vorige Woche zugestimmt, ihn zur Ausreise zu zwingen. "Wie legitimiert ein Arzt gleichzeitig die Verordnung von Psychopharmaka und die Feststellung von Reisefähigkeit, wo es nicht um Kur geht, sondern um Abschiebung?" fragt Hundelshausen.

Trotz offensichtlicher Suizidalität setzte die Ausländerbehörde auch die Abschiebung des Tunesiers Kamel C. durch, die zuvor durch zwei Selbstmordversuche gescheitert war. Anfang November hatte er sich in der Zelle die Pulsadern aufgeschnitten und trat anschließend in einen vierwöchigen Hungerstreik. Vorübergehend kam er frei. Seit Mitte April war er dann wieder in Haft. Dort schnitt er sich ein zweites Mal die Pulsadern auf. "Notdürftig zusammengeflickt", so Hundelshausen, wurde er am nächsten Morgen zum Flughafen gebracht, wo eine Ärztin die Abschiebung stoppte. Eine Woche später dann wurde er nach Tunesien verbracht. ee