Frankfurter Rundschau, 16.06.2000

Anwalt setzt sich für Soysal ein

Ehemaligem PKK-Funktionär droht in Ankara Todesstrafe

Von Karl-Heinz Baum

BERLIN, 15. Juni. Der türkische Rechtsanwalt Levent Kanat wirbt derzeit in Berlin um politische Unterstützung für den am 13. Juli aus Moldawien in die Türkei verschleppten PKK-Funktionär Cevat Soysal. Dafür führt Kanat Gespräche mit Vertretern der Bundesregierung, der Bundestagsfraktionen und deutscher Menschenrechtsorganisationen. Für den 27. Juni setzten türkische Richter den inzwischen zehnten Verhandlungstag in dem Verfahren gegen Soysal an. Ihm wird nach Paragraph 125 des türkischen Strafgesetzbuches Hochverrat vorgeworfen. Ein Staatsanwalt hat die Todesstrafe gefordert.

Soysal hatten wegen seiner hohen Gefährdung politisches Asyl in Deutschland erhalten. Schon deshalb sei die Bundesregierung verpflichtet, sich für ihn einzusetzen und darauf hinzuwirken, dass wenigstens kein Todesurteil verhängt werde, sagte Kanat am Donnerstag der FR. Für den Vorwurf des Hochverrats gebe es in den Akten keinerlei Beweis, erklärt der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft berufe sich auf Aussagen vor der Polizei, die die Verteidigung bisher nicht habe einsehen können. Der Verteidigung werde der Zugang dazu verweigert. Auch das angeforderte Protokoll über die Festnahme Soysals werde der Verteidigung nicht übergeben. Ihm seien nur wenige schriftliche Aufzeichnungen über seinen Mandanten bekannt, sagte Kanat. Darunter seien Unterlagen zur Einlieferung Soysals am 21. Juli vorigen Jahres bei der Polizei. Die Umstände von seiner Entführung seien ebenso ungeklärt wie die weitere Frage, wo er sich zwischen dem 13. bis 21. Juli aufgehalten habe. In dieser Zeit ist Soysal gefoltert worden.

Kanat sieht immerhin einen Hoffnungsschimmer für seinen Mandanten. In einem Schriftwechsel mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte habe Ankara nicht mehr den Vorwurf aufrechterhalten, Soysal sei zweiter Mann der PKK hinter dem ebenfalls in die Türkei entführten Chef Abdullah Öcalan. Doch leider habe das Gericht diese Auffassung bisher nicht übernommen.