Frankfurter Rundschau, 14.6.2000

Assads Sohn nährt bei Albright Zuversicht

Syrer nehmen Abschied vom verstorbenen Präsidenten

Knapp eine Million Syrer und zahlreiche Staatsoberhäupter haben am Dienstag in Damaskus Abschied von dem verstorbenen syrischen Präsidenten Hafis al-Assad genommen. US-Außenministerin Madeleine Albright äußerte sich nach einem Treffen mit Assads Sohn Baschar al-Assad, dem designierten neuen Präsidenten, optimistisch.

DAMASKUS 13. Juni (dpa/afp). Nach dem Abfeuern von 21 Schuss Salut zog der Trauerzug, angeführt von dem 34-jährigen Baschar, am Vormittag gut zwei Stunden lang durch die syrische Hauptstadt. Assads Sarg, der mit der schwarz-weiß-roten Nationalflagge geschmückt war, ist in Libanon hergestellt und nach Berichten aus Beirut mit einem speziellen Kühlsystem ausgestattet worden. Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften schützte den Trauerzug vor einer teilweise hysterisch wirkenden Menge am Straßenrand. Vielfach brachen Menschen zusammen. In Sprechchören hieß es: "Gott ist groß, und Assad ist sein Liebling." Im Volkspalast, in dem Assad ausländische Besucher empfangen hatte, kondolierten fünf Stunden lang arabische Könige und Staatschefs sowie westliche Spitzenpolitiker. Zu den Trauergästen gehörten unter anderem die Präsidenten Ägyptens, Jemens, Algeriens, Irans sowie König Abdullah von Jordanien, Kronprinz Abdallah aus Saudi-Arabien, der Emir von Kuwait und Palästinenserpräsident Yassir Arafat.

Arafat, dessen Verhältnis zu Assad über Jahrzehnte von Feindschaft und Misstrauen geprägt war, wurde von keinem syrischen Regierungsmitglied empfangen. Nach vier Küssen auf die Stirn sprach Assads Sohn Baschar dann doch kurze Zeit mit Arafat.

Als einziger westlicher Staatschef nahm Frankreichs Präsident Jacques Chirac an der Zeremonie teil. Das französische Außenministerium verteidigte seine Präsenz in Damaskus gegen Vorwürfe, die Medien und Menschenrechtsorganisationen erhoben hatten. Aus den USA, Großbritannien und Deutschland reisten die Außenminister Madeleine Albright, Robin Cook und Joschka Fischer an.

Nach dem öffentlichen Abschied in Damaskus wurde der Leichnam Assads in das Heimatdorf Kardaha überführt, 350 Kilometer nördlich von Damaskus. Dort soll er in einem Mausoleum neben seinem 1994 verstorbenen Sohn Basil die letzte Ruhestätte finden. Tausende von Menschen, die wie Assad zur religiösen Minderheit der Alawiten gehören, säumten über Stunden die knapp 30 Kilometer lange Straße von der Hafenstadt Lattakia nach Kardaha. Präsident Assad starb kurz vor seinem 70. Geburtstag und dem 30. Jahrestag seiner Amtsübernahme am vergangenen Samstag. Nachfolger wird nach der 40-tägigen Staatstrauer mit großer Wahrscheinlichkeit der 34-jährige Sohn Baschar. Das Parlament hatte kurz zuvor per Verfassungsänderung das Mindestalter eines syrischen Präsidenten von 40 auf 34 Jahre herabgesetzt.

US-Außenministerin Madeleine Albright zeigte sich nach einem Treffen mit dem designierten syrischen Staatschef optimistisch im Hinblick auf den Friedensprozess im Nahen Osten. "Ich bin sehr ermutigt von seinem Willen, den Weg seines Vaters fortzusetzen, der sich für den Frieden entschieden hatte", sagte Albright. Der 34-Jährige habe einen sehr entschlossenen Eindruck gemacht. Bei dem Treffen sei es um Möglichkeiten gegangen, "die Friedensgespräche fortzusetzen". In den USA hatten im Dezember israelisch-syrische Verhandlungen begonnen, die jedoch im Januar scheiterten. In Bezug auf die Nachfolge von Hafis al-Assad sagte Albright, Syrien habe "ein System, das auf friedliche und geordnete Weise zu funktionieren scheint".