Süddeutsche Zeitung, 13.6.2000

Baschar el-Assad ist der neue starke Mann in Syrien

Nach dem Tod seines Vaters Hafis el-Assad Baathpartei nominiert den 34-Jährigen für das Präsidentenamt / Israels Premier: Der Nahe Osten ist jetzt anders /

Von Heiko Flottau

Kairo - Nach dem Tod des syrischen Präsidenten Hafis el-Assad haben die Führungsgremien in Damaskus Baschar el-Assad, den Sohn des Präsidenten, als Nachfolger vorgeschlagen. Die Baathpartei nominierte den 34-Jährigen als Kandidaten für den Posten des Staatspräsidenten. Das Parlament tritt am 25. Juni zusammen, um die Nominierung zu bestätigen und einen Termin für ein Referendum festzusetzen.

Bereits kurz nach dem Tode Hafis el-Assads hatte das Parlament die Verfassung geändert und das vorgeschriebene Mindestalter für das Amt des Präsidenten von 40 auf 34 Jahre herabgesetzt. Vizepräsident Abdel-Halim Khaddam ernannte Baschar zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte und beförderte ihn zugleich vom Obersten zum Generalleutnant. Auch an der Spitze der Baathpartei soll Baschar seinem Vater nachfolgen.

Währenddessen zogen Tausende von Menschen durch die Straßen der syrischen Hauptstadt Damaskus und betrauerten den Tod ihres 69 Jahre alten Präsidenten, der Syrien 30 Jahre lang autokratisch regiert hatte. Viele forderten, Baschar el-Assad solle die Nachfolge des Vaters übernehmen. "Wir sind mit Dir, Baschar", riefen viele Menschen, andere trugen Spruchbänder mit der Aufschrift "Du bist unsere Hoffnung". Baschar selber empfing die Führung der Streitkräfte. Auch konferierte er mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Selim el-Hoss. Baschar ist in den vergangenen Monaten immer mehr in eine Führungsrolle hinein gewachsen. Offenbar mit Unterstützung seines kranken Vaters startete er eine Kampagne gegen die Korruption.

Hafis el-Assad, der am Samstag einem Herzanfall erlag, wird in seinem Geburtsort Qerdaha in der Nähe der syrischen Küstenstadt Latakia beigesetzt. Hier ist schon sein ältester Sohn Basil begraben, der 1994 bei einem Autounfall in Damaskus ums Leben kam.

Aus aller Welt trafen Kondolenzschreiben in Syrien ein. Der amerikanische Präsident Bill Clinton lobte Assads Entscheidung, Frieden mit Israel zu schließen. Der Vorsitzende der palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde, Jassir Arafat, versprach Baschar seine Unterstützung. "Ich setze volles Vertrauen in jeden Nachfolger Hafis el-Assads, und ich werde ihm immer helfen", erklärte Arafat. Der israelische Premierminister Ehud Barak sagte: "Assads Tod hat einen anderen Nahen Osten geschaffen." Zu den Trauerfeierlichkeiten am heutigen Dienstag reisen unter anderen Bundesaußenminister Joschka Fischer und die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright an.

Unterdessen meldete Rifaat el-Assad, der in Ungnade gefallene und im Exil lebende Bruder des verstorbenen Präsidenten, seinen Anspruch auf die Nachfolge an. Rifaat sei "jederzeit bereit, die Verantwortung zu übernehmen ", sagte sein Sprecher der BBC. Die syrischen Behörden erließen Haftbefehl gegen Rifaat. Die saudiarabische Zeitung El Hajat berichtete, Armee und Geheimdienste hätten Vollmachten, den Bruder Assads festzunehmen und an der Einreise nach Syrien zu hindern.