Berliner Morgenpost, 13.6.2000

Bauen Amerikaner den Leopard 2 für die Türkei künftig in Spanien?

Deutsche Rüstungsindustrie sorgt sich um Know-how ihres Vorzeigestücks

Von Frank E. Lippold

Berlin - In der Türkei geht ein mehrmonatiges Kräftemessen von vier Stahlkolossen zu Ende. Der technologische Gewinner steht bereits fest: der weltweit modernste Kampfpanzer Leopard 2 A5 aus Deutschland. Ob er freilich auch bei der Siegerkür die Kanone vorn haben wird, entscheidet sich auf dem politischen Parkett in Berlin.

Ankara fordert von allen Bewerbern, auch von den USA, Großbritannien und der Ukraine, offizielle Export- und Nachbaugarantien für bis zu 1000 Panzer - vor der für Ende dieses Monats avisierten Bekanntgabe des Test-Gewinners. Denn diesen letztlich doch nicht beschaffen zu können - diese Blamage will man am Bosporus unbedingt vermeiden.

Die Bundesregierung verweigert diese Garantien. Mehr noch: Der grüne Koalitionspartner steht der Lieferung des «Leo 2» an den Nato-Partner weiterhin kritisch gegenüber. «Wir warten auf die Anfrage aus Ankara, dann wird eine Überprüfung erfolgen», sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, der Berliner Morgenpost. Es bleibe jedoch bei der Haltung ihrer Partei, dass bei Rüstungsexportgenehmigungen die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle spielt.

Diese hat sich in der Türkei seit dem rot-grünen Hauskrach um die Lieferung eines Leopard-Testpanzers im Herbst 1999 und der Export-Voranfrage des Herstellers, der Münchener Firma Krauss-Maffei Wegmann (KMW), im Frühjahr an das Außenministerium allerdings noch nicht ausreichend verbessert.

Die Türken ihrerseits fühlen sich durch die Deutschen brüskiert und verlegen sich aufs Taktieren. Sei der Leopard nicht komplett zu beschaffen, würden sie den US-Konkurrenten Abrams 1 kaufen, wenn der mit deutschen Motoren und Getrieben nachgerüstet werde. Die von Rheinmetall in Ratingen entwickelte Leopard-Kanone hat er bereits.

Berlin könne sich, so spekuliert Ankara, gegen eine Zulieferung dieser Teile via USA in die Türkei kaum sperren. Denn die in den restriktiven deutschen Rüstungsexportrichtlinien geforderte «Endverbleibserklärung für Wehrtechnik stellt kein Staat aus», sagte Rheinmetall-Vorständler Mario Gabrielli.

Inzwischen hat sich die Lage an der «Panzerfront» jedoch verändert: Die Türken können möglicherweise den Leopard beschaffen, ohne die Deutschen überhaupt fragen zu müssen. Der US-Konzern General Dynamics, der den Abrams produziert, wird nämlich das spanische Staatsunternehmen Santa Barbara Blindados (SBB) kaufen. Das wiederum baut 219 Leopard für Madrids Heer.

Damit droht das Know-how des Vorzeigestücks der deutschen Rüstungsindustrie in amerikanische Hände zu fallen. Die 1998 erteilte Lizenz für SBB ist zwar auf Spanien begrenzt. Jedoch bleibe abzuwarten, so meinen deutsche Experten, wie weit letztlich die Loyalität eines Santa-Barbara-Ingenieurs gehe. Er könnte sich bei der Weitergabe von Hightech durchaus auf die Seite der neuen US-Mutterfirma schlagen.

Juristen von KMW, General Dynamics und SBB müssen jetzt den künftigen Umgang mit der Leopard-Lizenz aushandeln. Wehrtechnische Spezialisten befürchten jedoch, dass die Deutschen dabei ebenso das Nachsehen haben werden wie beim Verkauf des spanischen Unternehmens. Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann hatten sich gemeinsam ebenfalls um SBB beworben und waren beim damaligen spanischen Verteidigungsminister Eduardo Serra auf Wohlwollen gestoßen. Sie konnten jedoch mit den wirtschaftlich unseriösen Offerten der US-Konkurrenz - etwa Arbeitsplatzgarantien in allen sieben SBB-Werken - nicht mithalten. Zudem sei die Unterstützung der Bundesregierung nur zögerlich gewesen.

Erst jetzt greift Berlin zu einem Druckmittel, um die Position von Rheinmetall/KMW beim Santa-Barbara-Deal zu verbessern. Laut Spiegel prüft das Verteidigungsministerium eine Anhebung der «ermäßigten Miete» für 108 von Spanien geleaste Leopard-Gebrauchttanks: jährlich 10 000 Mark pro Panzer. Das ändert freilich wenig an der Kritik deutscher Waffenschmieden, Rot-Grün sei bei Exporten zu zurückhaltend. Die Regierungen anderer EU- oder Nato-Staaten mischen im Rüstungsgeschäft viel stärker mit, heißt es.

London zum Beispiel gebe dem Vickers-Konzern bei dessen Verkaufsoffensive für den Challenger-Panzer in Griechenland politischen Flankenschutz zuhauf. Mithin stehen dessen Chancen in Athen nicht schlecht - obwohl er dem Leopard 2 unterlegen ist. Die Tests, zuerst in Ostanatolien, dann in der Westtürkei, haben es eindrucksvoll bewiesen.