Frankfurter Rundschau, 13.6.2000

IM HINTERGRUND
EU-Militär bekommt Kontur

Planung für Krisenreaktionskräfte soll bis Dezember klar sein

Die Europäische Union kommt ihrem Ziel, eigene militärische Krisenreaktionskräfte bis Ende 2000 auf die Beine zu stellen, deutlich näher. Wesentliche Hindernisse wurden aus dem Weg geräumt.

Einen optimistischen Bericht über den Entwicklungsstand der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (ESVP) wird der potugiesische Premier und derzeitige EU-Präsident Antonio Guterres seinen Kollegen auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche in Feira in Portugal geben. In dem Bericht, dessen Entwurf der Frankfurter Rundschau vorliegt, wird von "substantiellen Fortschritten" gesprochen - und zwar sowohl was die Bereitstellung von Truppen angeht, wie auch das Verhältnis der ESVP zur Nato im allgemeinen wie zu Nato-Ländern, die nicht zugleich in der EU sind. Bis zum ihrem Gipfel im Dezember unter französischer Präsidentschaft hofft die EU, alle noch offenen Fragen geklärt zu haben.

So geht es noch um die Stärke der Eingreiftruppe und ihre Ausrüstung. Eine Art "Geberkonferenz" der 15 EU-Länder soll im Dezember klären, wer welches Personal und welches Material zur Verfügung stellt. Grundlage dafür werden die Berechnungen des bereits arbeitenden militärischen Interimsausschusses sein, dessen Papiere der am heutigen Dienstag in Luxemburg tagenden Konferenz der Außen- und Verteidigungsminister vorliegen. In der EU wird davon ausgegangen, dass man für eine angepeilte Truppe von 60 000 Mann, die ein Jahr durchhalten kann, inklusive Personalwechsel und Nachschub insgesamt knapp über 200 000 Soldaten einsatzbereit haben muss.

Da die EU zum Teil auf Nato-Material und Nato-Strukturen zurückgreifen will, gab es Probleme mit jenen Nato-Mitgliedern, vor allem der Türkei, die nicht der EU angehören. So forderte Ankara etwa ein volles Mitbestimmungsrecht bei der ESVP, was angesichts des türkischen Veto-Rechtes gegen einen Vertrag der Nato mit der EU brisant war. Diese Lage wurde durch eine Absprache entschärft, wonach die Türkei, aber auch etwa Polen, Ungarn oder Tschechien durch regelmäßige "Konsultationen" an der ESVP beteiligt werden. Die "Entscheidungsautonomie" bleibt aber bei den EU-Mitgliedern. Sollten sich die anderen Nato-Länder an Einsätzen beteiligen, dann sollen sie ein Mitspracherecht bei der Aktion bekommen.

In vier Nato-EU-Arbeitsgruppen sollen noch vorhandene Probleme geklärt werden. Dabei geht es vor allem um ein "Sicherheitsabkommen" zum Schutz von Geheiminformationen, die die Nato an die EU gibt. Die EU, bislang ein rein ziviles Unternehmen, kennt weder Sicherheitsüberprüfungen des Personals noch Geheimhaltungsverfahren. (wtr)