Frankfurter Rundschau, 13.6.2000

Neue Ziele trotz alter Streitpunkte

UN-Frauenkonferenz endet für Lobbyistinnen enttäuschend

Von Gerti Schön (New York)

Die einen feierten es als bedeutende Fortschreibung der Ziele, die die Weltfrauenkonferenz vor fünf Jahren in Peking deklariert hatte. Die anderen geißelten das Abschlussdokument der UN-Sondergeneralversammlung "Peking + 5" in New York als Ausdruck dafür, dass der Gleichstellungsprozess stagniert.

Trotz nächtelanger Verhandlungen blockierten die Vertreter des Vatikan sowie einiger islamischer und katholischer Staaten - darunter Libyen, Algerien, Iran, Sudan, Nicaragua und Polen - bis zuletzt, dass weitergehende Frauenrechte in die Erklärung eingingen, auf die sich mehr als 180 Staaten am Wochenende verständigten. Dazu gehören alle Fragen, die auch in Peking zu hitzigen Diskussionen geführt hatten, wie das Recht auf gefahrlose Abtreibung und sexuelle Selbstbestimmung.

Die konservativen Staaten leisteten unter anderem erfolgreich Widerstand gegen einen Vorschlag der europäischen und US-amerikanischen Delegation, Diskriminierung wegen sexueller Orientierung zu verurteilen. Außerdem verlangten liberale Gruppen freien Zugang zu Abtreibungspraxen sowie sexuelle Aufklärung. Ihre Widersacher pochten auf strikte Enthaltsamkeit als Prävention vor Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten. "Wir bedauern, dass der politische Wille bei den stärkeren Regierungen und den UN selbst nicht groß genug war, ein stärkeres Dokument mit zeitlichen Begrenzungen und finanziellen Mitteln für die Pekinger Aktionsplattform zu verabschieden", erklärten regierungsunabhängige Vertreterinnen aus den USA. Angela King dagegen, Vertreterin des UN-Generalsekretärs, sprach von einem sehr starken Dokument, das Peking übertreffe. Generalsekretär Kofi Annan sah ein Vehikel, "um Frauen politisch und ökonomisch zu ermächtigen".

Fortschritte wurden beim Kampf gegen Gewalt in der Ehe und Frauenhandel sowie gleichem Zugang zu Eigentum erzielt. Zudem wurde der Gleichstellung von Frauen in Beruf und Bildung höhere Bedeutung zugemessen und Quotierung in der Politik verlangt. Die rituelle Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane wird als Menschenrechtsverletzung verurteilt.

Die Staaten sind nicht gezwungen, die Forderungen in Gesetze umzuwandeln. Allerdings wird das Dokument als Druckmittel für internationale Verhandlungen gesehen. Zwar ist eine weitere Bilanz-Konferenz in fünf Jahren angekündigt, doch fehlen Pläne für eine umfassendere Weltkonferenz wie in Peking. "Wir sollten eine andere Form finden", sagte Josselyn Dow von der amerikanischen Organisation für die Entwicklung von Frauen. Ihr Vorschlag: "Eine Konferenz, die nicht von den UN, sondern von den Frauen selbst veranstaltet wird, und wo die Regierungen und nicht die unabhängigen Gruppen als Beobachter kommen."