Kölner Stadtanzeiger, 10.6.2000

Türkei
US-Plan für kurdische Stadt alarmiert Ankara

Handelsbüro in Diyarbakir strikt abgelehnt

Von Gerd Höhler

Ankara - Sechs Tage lang bereiste Mark Parris, der US-Botschafter in Ankara, den Südosten der Türkei. Seit Beginn der achtziger Jahre war er der erste US-Missionschef, der sich in der überwiegend kurdisch besiedelten Region umsah. Bis vor kurzem galt eine solche Tour wegen der Kampfhandlungen zwischen den Rebellen der kurdischen PKK und den Regierungstruppen als zu riskant. Jetzt kam Parris in eine zwar durch 15 Jahre Kurdenkrieg ausgezehrte Region; nach der weitgehenden Kapitulation der PKK gibt es jedoch erste Ansätze zu einer Normalisierung des Lebens.

Ob die Kurdenprovinzen wirklich befriedet werden können, wird allerdings wesentlich von der ökonomischen Entwicklung abhängen. Und so müsste es aus Sicht der Regierung in Ankara eigentlich hoch willkommen sein, wenn die US-Diplomaten in der Kurdenmetropole Diyarbakir ein Büro eröffneten, das örtliche Unternehmer über Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit US-Firmen und amerikanische Unternehmer über Investitionschancen in der Südosttürkei informieren soll.

Freude also in Ankara über die Entwicklungshilfe? Weit gefehlt. Im Außenministerium schrillten die Alarmglocken. Mit allen bürokratischen Tricks versucht die türkische Regierung, die Eröffnung des Handelsbüros zu verhindern. Obwohl die PKK oder was von ihr noch übrig ist längst allen separatistischen Ideen abgeschworen hat, verfolgt viele Politiker in Ankara immer noch das Gespenst eines autonomen Kurdistan. Regierungschef Bülent Ecevit und sein Außenminister Ismail Cem sind von der Angst besessen, aus dem Büro könne eines nicht zu fernen Tages eine US- Botschaft in Kurdistan entstehen.

Vergeblich beteuern die US-Diplomaten ihre sauberen Absichten: Das Büro sei keine diplomatische Mission, sondern werde in Zusammenarbeit mit Günsiad eröffnet, der Vereinigung der südostanatolischen Industriellen und Geschäftsleute. Umso schlimmer, sagt man in Ankara, denn Günsiad gilt als "kurdisch unterwandert".

Während US-Diplomaten in Ankara darauf beharren, das Büro werde am kommenden Donnerstag eröffnet, und sich die Regierung weiter sträubt, hat die türkischen Diplomaten eine neue Furcht gepackt: Einige EU-Staaten könnten ebenfalls den Wunsch äußern, eigene Büros in Diyarbakir zu eröffnen. Während man den USA immerhin einigermaßen traut, fühlen sich die Türken von den meisten Europäern in der Kurdenfrage völlig unverstanden.