web.de, 09.06.2000 10:27

Sicherheitsrat lässt Lebensbedingungen in Irak untersuchen

Hilfsprogramm Öl für Lebensmittel in letzter Minute verlängert - Russland kritisiert Flugverbotszonen

Von AP-Korrespondentin Nicole Weinfield

New York (AP) Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat seine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über die Irak-Politik und das Hilfsprogramm «Öl für Lebensmittel» um ein weiteres halbes Jahr verlängert. Unmittelbar vor Ablauf der Frist um Mitternacht in New York (06:00 Uhr MESZ) wurde zudem einstimmig eine umfassende Studie über die Lebensbedingungen in Irak in Auftrag gegeben. Das klare Ergebnis für die von Frankreich eingebrachte Resolution überdeckte ein kontroverse einwöchige Debatte, in der der russische UN-Botschafter Sergej Lawrow drei Mal die amerikanisch-britischen Luftangriffe in den so genannten Flugverbotszonen gegeißelt hatte.

Seit längerem gärt im Sicherheitsrat ein Streit über die Lockerung der seit zehn Jahren gegen Irak verhängten Sanktionen, mit denen Bagdad zur Zerstörung seines Massenvernichtungspotenzials gezwungen werden soll. Die ständigen Mitglieder Frankreich, Russland und China wollen den wirtschaftlichen Würgegriff lösen, da damit nur die immer größere Not leidende Bevölkerung, nicht aber die Regierung getroffen werde. Die USA und Großbritannien plädieren dagegen für eine unverminderte Aufrechterhaltung, bis die UN-Rüstungsinspektoren die Erfüllung sämtlicher nach dem Golfkrieg gemachter Auflagen bestätigt haben. Das UN-Programm Öl für Lebensmittel soll die Folgen für die Bevölkerung lindern. Irak wird dabei der Export von Öl im Wert von 600 Millionen Dollar gestattet, um aus dem Erlös Lebensmittel und Medikamente zu kaufen.

Um die Erweiterung der Liste für Irak genehmigter Produkte hatte es diesmal auch Dissens zwischen London und Washington gegeben. Die Briten hatten vorgeschlagen, auch Wasser- und Sanitäreinrichtungen hinzuzufügen. Die USA erklärten, zunächst müsse geklärt werden, ob diese nicht militärisch genutzt werden könnten. Erst nach wiederholten Mahnungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan, die Versorgung der irakischen Bevölkerung mit sauberem Wasser zu verbessern, gaben sie nach Angaben diplomatischer Kreise ihre Vorbehalte auf.

Auch über die genaue Bezeichnung der Studie wurde gestritten. Frankreich, Russland, China und Malaysia wollten ausdrücklich die Auswirkungen der Sanktionen auf durchschnittliche irakische Familien untersuchen lassen. Schließlich stimmten sie einem allgemeiner gehaltenen Auftrag zur humanitären Lage zu, die auch von den beiden Golfkriegen und der irakischen Politik gekennzeichnet sie.

Lawrow kritisierte scharf, dass die Luftangriffe auf irakische Flugabwehrstellungen im Norden und Süden durch keine UN-Resolutionen gedeckt seien. «In welcher Resolution wird denn gesagt, dass auf mehr als 60 Prozent des irakischen Territoriums Luftangriffe geflogen werden dürfen?» fragte er. Der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock verwies auf Resolutionen, in denen der kurdischen Minderheit im Norden und der schiitischen im Süden Schutz zugesagt wurde.