Ruhr Nachrichten, 8.6.2000

Kurdische Familie muss ausreisen

GERICHT: Kein Asyl / Vater wird nicht politisch verfolgt

Eine kurdische Familie mit drei Kindern, zum Teil in Gelsenkirchen geboren, muss in ihre türkische Heimat auswandern. Sonst wird sie ausgewiesen. So lautet die Konsequenz von Urteilen der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts.

Von Franz Wilmsen

Einzelrichter Rainer Paus gab sich viel Mühe mit den fünf Asylfällen. Nicht wegen des öffentlichen Interesses: Bei der ersten Verhandlung quoll der Gerichtssaal über. Zahlreiche Freunde der Familie hatten vorher auf dem Bahnhofsvorplatz demonstriert und sich anschließend die Verhandlung angehört. Sie war aber schnell zu Ende, weil der Anwalt damals noch keinen Einblick in alle wichtigen Prozessunterlagen hatte (wir berichteten).

Doch beim zweiten Termin war dieses Problem gelöst. Der Vorsitzende wollte der Wahrheit auf den Grund gehen und erörterte in stundenlanger Verhandlung alle offenen Fragen ausgiebig. Die Urteile ergingen aber erst jetzt, in schriftlicher Form.

Nach Überzeugung des Gerichts ist der Familienvater nicht wegen drohender oder tatsächlicher politischer Verfolgung aus der Türkei geflohen. Seine erste Asylklage hatte er auch zurückgenommen und war dann in seine Heimat zurückgekehrt. Das spreche nicht gerade dafür, dass er Angst vor Folter gehabt habe.

Nach einem Jahr war er wieder in Deutschland, mit einem ärztlichen Attest, wonach er unter Folgen einer "mehrjährigen Haft" zu leiden habe.

Auch in der Türkei sicher vor Folter

Nach Ansicht des Richters hat sich das Familienoberhaupt in zahlreiche Widersprüche verstrickt. Zum Teil hätten sich seine Angaben und die seiner Frau nicht gedeckt. Der Richter bedauerte z.B., dass der Kläger keinerlei Belege vorlegen konnte oder wollte, wie er beim zweiten Mal in die Bundesrepublik eingereist war.

Das Gericht stützte sich auf die gefestigte Rechtsprechung, dass Kurden innerhalb der Türkei auch absolut sichere Zufluchtsstätten haben. Im Westen des Landes, z.B. in Istanbul, geschehe ihnen nichts. Aber auch in Kurdistan selber seien sie relativ sicher, so lange sie von den Behörden nicht als Aktivisten z.B. der PKK eingestuft würden. Wer nur mit ihr sympathisiere, der sei kaum einer ernsten Gefahr ausgesetzt.

Dass Cousins des Klägers Asyl bekommen hatten, beeindruckte den Richter nicht. Sippenhaft in der Türkei sei nicht ersichtlich, heißt es in dem Urteil. Unverdächtige Verwandte seien nicht besonders gefährdet.

Schwergewichtige Nachfluchtgründe konnte das Gericht nicht erkennen. Dass für den Kläger vor der Verhandlung demonstriert worden sei, interessiere den türkischen Staat kaum.

Als ernstzunehmender Gegner würde nur angesehen, wer größere und öffentlichkeitswirksame Kundgebungen organisiere und leite oder dort als Redner auftrete. Die Verteilung von Flugblättern, auf denen auf den Prozess hingewiesen wurde, sei nicht erheblich genug.

Das Gericht bekräftigte, dass wirtschaftliche Gründe keinen Abschiebeschutz auslösten. Allgemeine Zustände im Heimatland wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch Unruhen, Revolutionen und Kriege reichten für eine Asylgewährung nicht aus. Es müsse zur Überzeugung des Gerichts eine individuelle Verfolgung vorliegen. Das war, so der Richter, bei dieser Familie nicht der Fall.

-AZ.: 17a K 3822/96.A