Frankfurter Rundschau, 8.6.2000

Selbst schuld, wer vor der Abschiebung schwanger wird

In Baden-Württemberg hat Innenminister Schäuble mal wieder demonstrieren lassen, was konsequente Flüchtlingspolitik ist

Von Peter Henkel (Stuttgart)

Am Montag früh um fünf stand die Polizei vor der Tür: Abschiebung für die albanische Familie Ahmeti. Mutter Fetije, im siebten Monat schwanger, muss ihre drei Kinder zwischen drei und sechs Jahren aus dem Schlaf reißen. Die Familie wird zum Flughafen gefahren, der Bruder des Mannes, als Asylbewerber in Passau registriert und deshalb rechtswidrig bei Pforzheim lebend, wird in Handschellen abgeführt.

Vor einem Jahr kamen sie nach Deutschland, nach Knittlingen im baden-württembergischen Enzkreis, das als Geburtsort des historischen Doctor Faustus gilt. Sieben Mal, so berichteten sie es hier, hatten sie sich in ihrem Dorf 30 Kilometer von Pristina entfernt vor Serben verstecken müssen, die nach Sabri Ahmeti und dessen Bruder suchten. Einmal sei er in letzter Minute vor der Erschießung gerettet worden. Die drei Kinder: anhaltend schwer verstört.

Szenen aus dem weltoffenen, ausländerfreundlichen Deutschland. "Sie ist ja mit Sicherheit nicht die einzige schwangere Frau in Kosovo", sagt ein Mitarbeiter des Landratsamts über die 35-jährige Fetije Ahmeti. Dann weist er anklagend darauf hin, dass die Familie anders als andere Kosovo-Albaner trotz mehrfacher Aufforderung nicht freiwillig ausreisen wollte: "Von denen kam nix." Dass die Abschiebung eine hochschwangere Frau mit drei kleinen Kindern und starker Anfälligkeit für bedrohliche Schwangerschaftskomplikationen trifft, kann er als Abschiebehindernis nicht empfinden. Schließlich hat es sich das Regierungspräsidium Karlsruhe sogar einiges Geld kosten lassen, um von einem Pforzheimer Klinikchef die Reisefähigkeit der Frau gutachterlich bestätigen zu lassen. Der Hausärztin Angelika Denzler empfahl dieser Professor danach die Mitgabe von Blutdruckmesser und Magnesiumtabletten: So habe man solche Fälle schon vor 30, 40 Jahren behandelt.

Letzten Freitag war Sabri Ahmeti freudestrahlend mit einer wiederum bis 30. Juni verlängerten Duldung vom Landratsamt zurückgekommen. Nur scheinbar drohte vorerst keine Gefahr. "Abschiebung wird angekündigt", steht da missverständlich auf dem Stempel, "Duldung erlischt mit Bekanntgabe des Abflugtermins." Rechtlich, das weiß auch Jürgen Blechinger vom Diakonischen Werk Baden, ist da nichts zu machen. Wenn die Polizei im Morgengrauen den bevorstehenden Abflug mitteilt, ist den Vorschriften Genüge getan. Jedenfalls in Baden-Württemberg, wo sich Innenminister Thomas Schäuble (CDU) viel auf seine "konsequente Abschiebepolitik" zugutehält.

Anne Schwing, die sich als ehrenamtliche Betreuerin intensiv um die fünf Ahmetis gekümmert hat, ist entsetzt: "Die sind nach Deutschland gekommen, um dem zu entfliehen, und jetzt erleben sie eine solche Situation wieder", schildert sie die Abschiebeaktion, in deren Verlauf Mutter Fetije ohnmächtig geworden sein soll. Sie erinnert sich an einen Staatsdiener, der ihr sagte, Frau Ahmeti hätte eben gar nicht wieder schwanger werden dürfen. Übrigens hatte Sabri Ahmeti nach Ostern für ein paar Tage eine Arbeit angenommen in einer Fabrik. Das ist verboten. Neulich haben die Schwings Hausverbot bekommen für das Übergangswohnheim. Begründung: Sie wolle die dort lebenden Ausländer "zu Straftaten anleiten", sprich: ihnen Arbeit vermitteln. Falsch, sagt Anne Schwing, Ahmeti sei von sich aus auf Jobsuche gegangen, mit Fotos von seinem durch Serben zerstörten Haus in Kosovo.

Letzte Meldung von der Familie: Der UNHCR, über Dritte aufmerksam gemacht durch Ärztin Denzler, hat ihr in Pristina ein Dach überm Kopf verschafft.