Freitag, 9.6.2000

Dokumentation

Suche nach der Wahrheit dieses Krieges

TRIBUNAL ÜBER DEN NATO-KRIEG

Aus dem Urteil des Europäischen Tribunals über den NATO-Krieg

Es gilt nach wie vor, was der IGH, der Internationale Gerichtshof in Den Haag, im Rechtsstreit zwischen Nikaragua und den USA in seinem Urteil von 1986 zur "humanitären Intervention" gesagt hat: "Die Anwendung von Gewalt kann keine geeignete Methode sein, die Achtung der Menschenrechte zu überwachen oder zu sichern. Hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen ist festzustellen", so der Internationale Gerichtshof weiter, "daß der Schutz der Menschenrechte, ein strikt humanitäres Ziel, unvereinbar ist mit der Verminung von Häfen, der Zerstörung von Ölraffinerien ... Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, daß das Argument, das von der Wahrung der Menschenrechte in Nikaragua hergeleitet wird, keine juristische Rechtfertigung für das Verhalten der USA liefern kann."

An diesem Stand des Völkerrechts hat sich entgegen der Behauptungen so mancher bis heute nichts geändert. Aber auch für den Fall, dass man von der "humanitären Intervention" als gerechtfertigter Ausnahme von dem absoluten Gewaltverbot ausgeht - was das Tribunal auch nicht tut -, selbst dann kann man nicht die Augen davor verschließen, dass die NATO ihr angestrebtes Ziel der Wiederherstellung erträglicher Menschenrechtsverhältnisse nicht nur nicht erreicht hat, sondern die ohnehin prekäre Situation noch dramatisch verschlechtert hat.

Die Zahl der Flüchtlinge und Vertreibungen wie die der Toten, Verletzten und ihres ganzen Hab und Guts Beraubten ist mit Beginn der Bombardierungen um ein Vielfaches gestiegen. Hierfür bleibt die NATO dem jugoslawischen Volk voll verantwortlich. (...)

Das Tribunal ist ferner der Ansicht, dass die von der Anklage vorgetragenen Verletzungen des Grundgesetzes und des deutschen Strafgesetzes durch die Bundesregierung vorliegen ... Desgleichen lassen gute Gründe die Verletzung des Soldatengesetzes durch die Bundeswehr als wahrscheinlich erscheinen. Das Tribunal sieht sich jedoch durch den rechtlichen Rahmen, den das Statut ihm gibt, daran gehindert, zu diesen Rechtsverletzungen einen Schuldspruch auszusprechen. Es möchte diesen Komplex jedoch weiteren Untersuchungen und Tribunalen für die Rechtsordnung aller beteiligten Länder, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, England, Italien übertragen und dazu aufrufen, die Suche nach der Wahrheit dieses Krieges nicht für beendet zu erklären ...