junge Welt, 6.6.2000

Die drei Kriege des Billy C.

Eine Anti-Ehrung anläßlich des Karlspreises in Aachen.

Von Winfried Wolf (*)

Als vor einem Jahr, mitten im Krieg, der Oberbürgermeister der Stadt Aachen, Jürgen Linden, dem britischen Premierminister Tony Blair den Karlspreis überreichte, da hielt er den linken Kritikern entgegen: »Der Karlspreis ist kein Friedenspreis!« Als am vergangenen Freitag derselbe OB William Clinton den diesjährigen Karlspreis übergab, da bezeichnete der Geehrte den Kriegseinsatz im vergangenen Jahr als »einen der besten Momente in der Geschichte der NATO«. Schröder, der die Ganovenehre hatte, die Laudatio auf des Westens obersten Mafiosi zu halten, dankte Clinton seinerseits für die »enge und vertrauens- volle Zusammenarbeit während der schwierigen Monate des Kosovo-Kriegs«.

Wir sehen vor uns die zerstörten Anlagen von Kragujevac, die in der Donau liegenden Brücken von Novi Sad. Wir erinnern uns an den - gefälschten - NATO-Videofilm, der den Angriff auf die Brücke und den Zug nahe des Ortes Grdelica zeigt. Und wir haben noch das Unwort des Jahres 1999 im Ohr: KOLLATERALSCHADEN ...

Die Szenerie in Aachen brachte die ganze Perversion der sogenannten abendländische Kultur zum Ausdruck. Selbst das Verlogen-Pfäffische fehlte nicht: Der Bischof von Aachen plazierte Clinton in die Mitte des 1200 Jahre alten Oktogons, direkt unter die Domkuppel, und ließ den US-Präsidenten nach oben schauen, damit er dort Christus erkenne, den »wiederkehrenden Herren, der uns verheißt: Zukunft hat der Mensch des Friedens.«

Nein, der Karlspreis ist kein Friedenspreis. Nein, Clinton wurde nicht als Vertreter einer zivilen Gesellschaft geehrt. Nein, die Gemeinde, die sich in Aachen und in Berlin um Clinton scharte, ehrte nicht den Vertreter des Oval Office, auch wenn Schröder mit seinem Geschenk kubanischer Zigarren solchen Anschein erweckte. Im Oktogon ging es allein um das Pentagon: Sie ehrten den Bürovorsteher der führenden Militärmacht des allein übriggebliebenen Kapitalismus, eine Gesell- schaftsform, die das Faustrecht in Form von »Marktgesetzen« exekutiert und dafür gegebenfalls Raketen und radioaktiv verseuchte Munition einsetzt. Sie feierten die Verwandlung eines Mannes, der 1992 am Beginn seiner Präsidentschaft seine vordringlichste Aufgabe in dem Ziel einer allgemeinen Krankenversicherung für jeden US-Amerikaner sah, und der am Ende seiner Präsidentschaft die Weichen für einen neuen Rüstungswettlauf stellt.

Die Ehrerbietungen für Clinton galten dem »big stick«, dem großen Knüppel jenseits des Atlantiks, dem sich große Teile der in Europa Regierenden, die sogenannten »Atlantiker«, verpflichtet fühlen. So erhielt Clinton dort engagierten Beifall, wo er geographische Ab- surditäten wie die folgende formulierte: »Weil Europa so sehr eine Idee wie ein geographischer Ort ist, bleibt Amerika ein Teil Europas, angekettet über Familienbande, Geschichte und Werte.« Dies war auch höhnisch gemeint. Ernst genommen wird die Europäische Union nur bedingt, weswegen die USA nicht einmal die paar lausigen Dollar für einen eigenen Expo-Pavillon aufbrachten. Europa, eine vereinigende Idee? Dazu fielen Jesse Helms, dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des US-Kongresses, während des Balkan-Krieges 1999 die Worte ein: »Bei allem Respekt ... Die Europäische Union könnte sich noch nicht einmal aus einer nassen Papiertüte freikämpfen.«

------------- Pax Americana -------------

Vor knapp vier Jahrzehnten, 1961, sagte der damalige US-Präsident John F. Kennedy in Westberlin in einer als »historisch« eingestuften Rede: »Two thousand years ago it was the proudest word to say: Civis Romanus sum. Today it is the proudest word to say: Ich bin ein Berliner.« West- berlin war damals die vorgeschobene Frontstadt eines Westens, der mehr noch als heute von den US-Konzernen und Banken und von der US-Militär- maschine beherrscht war. Kennedy zog faktisch den Vergleich zwischen Römischem Reich und dem US-dominierten Weltreich: »Vor 2.000 Jahren war es das stolzeste Wort, das gesagt werden konnte: Ich bin ein römischer Bürger!« Damals existierte eine »Pax Romana«, ein vom Zentrum Rom ge- stifteter Friede. Dieser wurde im Inneren durch eine Sklavenhalter- Gesellschaft und nach außen durch Hunderte Kriege aufrechterhalten. Die Funktionsweise der Pax Americana wurde von demselben US-Präsidenten Kennedy gerade mit dem Überfall auf Kuba in der Schweinebucht und mit dem damals zunehmend intensivierten US-Krieg in Vietnam verdeut- licht.

Der gegenwärtige US-Präsident wurde in Aachen und Berlin als Repräsentant dieser Pax Americana geehrt. Dieser »Amerikanische Friede« wird durch drei Arten von Kriegen gestiftet: einem Krieg im Inneren, dem internationale Wirtschaftskrieg und den real existierenden Kriegen im Rahmen der »new world order«.

---------------- Krieg im Inneren ----------------

Die US-amerikanische Gesellschaft ist, wie die deutsche, eine Klassen- gesellschaft. Allerdings handelt es sich um diejenige kapitalistische Gesellschaft, die seit Ende des Ersten Weltkriegs weltweit führend ist. In ihr wurde der Neoliberalismus geboren. Und am Beginn der neoliberalen Offensive, die unter US-Präsident Ronald Reagan in den achtziger Jahren eingeleitet wurde, standen das Hochrüstungsprojekt SDI und die Entlas- sung von 13.000 gewerkschaftlich organisierten Fluglotsen. Die - durch die Niederlage in Vietnam aufgezwungenen und von dem Erdnußfarmer- Präsidenten Carter personifizierten - Jahre relativer Zurückhaltung waren vorbei. Die demoralisierte Wehrpflichtigenarmee wurde durch eine Berufsarmee ersetzt.

Auf der Tagesordnung stand erneut: Krieg nach außen und Krieg nach innen. Das Kapital sollte von allen Fesseln, jeder »Regulierung« befreit werden. Die - bescheiden entwickelte - Sozialgesetzgebung wurde weitgehend aufgelöst; Millionen Normalarbeitsplätze werden vernichtet. Als »modern« gilt nun ein Arbeitnehmer, der zwei oder drei »McJobs« ausübt, um sein Auskommen zu verdienen. Als normal gilt nun, daß es Sache jedes einzelnen ist, sich um sein Schicksal zu kümmern.

Als 1997 die Bürgermeister von 29 US-Städten zusammenkamen, um ihren jährlichen Armutsbericht zu erstellen, berichteten sie: Im vorausge- gangenen Jahr führten die Streichungen von Bundeszuschüssen für Mieten und bei Obdachlosenunterkünften dazu, daß 27 Prozent der Bitten von Obdachlosen nach Notunterkünften nicht erfüllt werden konnten - »der höchste Anteil, den es in den vergangenen 15 Jahren, seit diese Statistik erstellt wird, gab.«

Ein Artikel von Michael Dunn in junge Welt begann 1995 mit den Sätzen: »Vor 50 Jahren, als ... in San Francisco die Vereinten Nationen ge- gründet wurden, schwang man große Reden über Weltfrieden ... und soziale Gerechtigkeit ... Anläßlich der diesjährigen Jubiläums- feierlichkeiten ... war die Polizei von San Francisco ... damit beschäftigt, die sozial Schwachen der Stadt und deren Unterstützer zu verhaften ... über 200 'Food-not-Bombs-Aktivisten' (Essen statt Bomben) wurden inhaftiert, die gegen die jüngsten polizeilichen Säuberungs- maßnahmen gegen die schätzungsweise 15.000 Obdachlosen in der Stadt protestiert ... hatten.« Kurz zuvor hatte in San Francisco eine selbsternannte Bürgerwehr einen nichtseßhaften Mann angezündet. Im Januar desselben Jahres hatten Parkwächter des Weißen Hauses einen Obdachlosen erschossen.

Unter Clinton wurde die Zahl der Sozialhilfe empfangenden Menschen halbiert - als Ergebnis erschwerter Zugangsbedingungen. So müssen inzwischen in 20 von 50 US-Bundesstaaten bedürftige alleinstehende Mütter, um staatliche Unterstützung zu bekommen, auch dann einen Billig-Job annehmen, wenn eines ihrer Kinder weniger als ein Jahr alt ist. Trotz vielfach geschönter Statistiken lebt heute nach offiziellen Angaben ein Achtel der US-amerikanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Diese ist damit definiert, daß eine vierköpfige Familie über weniger als 16.600 US-Dollar im Jahr verfügt. Während dasjenige Fünftel, das der untersten Einkommensgruppe angehört, heute mit maximal 19.000 US-Dollar Jahreseinkommen nur wenig mehr verdient als ein Jahrzehnt zuvor, hat sich das Einkommen des am besten verdienenden Fünftels erheblich erhöht: 1990 lag bei diesem oberen Fünftel der Einkommenspyramide das Jahreseinkommen bei jährlich mindestens 88.000 US-Dollar. Heute liegt es bei 118.000 US-Dollar (235.000 DM).

Zu diesem Krieg im Inneren gehört auch die Tatsache, daß heute in den USA knapp zwei Millionen Menschen hinter Gefängnismauern leben - doppelt so viele wie am Beginn der neoliberalen Offensive, daß 2.500 Menschen im Todestrakt auf die Hinrichtung warten - ebenfalls doppelt soviel wie vor 15 Jahren. Daß der Anteil der Schwarzen und Hispanos in den Gefängnissen, im Todestrakt und unter den Obdachlosen zweimal höher ist als beim Durchschnitt der Bevölkerung.

---------------- Wirtschaftskrieg ----------------

Während beim Clinton-Besuch der US-Krieg im Inneren kein Thema war, tauchte der Wirtschaftskrieg gelegentlich in den Meldungen auf - allerdings mit eher lächerlichen Konkretisierungen: Die US-Regierung wendet sich gegen den Import von Kaschmir-Wolle-Pullovern aus Schott- land und von französischem Weichkäse; sie protestiert, daß hormonbe- handeltes US-Rindfleisch nicht gleichberechtigt mit BSE-verseuchtem britischem Beef in die Mägen der EU-Bürger gelangen darf.

Einige Jahre zuvor gab es handfestere Themen. So als VW-Chef Piech es längere Zeit tunlichst vermied, seinen Fuß auf US-Boden zu setzen. Er hätte dort mit der Beschuldigung der Industriespionage verhaftet werden können: Der VW-Konzern hatte den Chefeinkäufer von General Motors, Lopez, abgeworben und mußte einige Jahre später Lopez wieder entlassen und einen satten Schadenersatz an General Motors löhnen.

Es war in der Amtszeit des Präsidenten Clinton, daß die USA Nordamerika zur Wirtschaftsfestung erklärten, indem sie 1993 zusammen mit Kanada und Mexiko die Freihandelszone NAFTA bildeten. Nur wenige Monate danach zogen die westeuropäischen Banken und Konzerne nach: Mit dem »Vertrag von Maastricht« und dem Beschluß zur EU-Einheitswährung wurde die »Festung Europa« errichtet. Beide Wirtschaftsblöcke haben als erstes Ziel die Freiheit zu schrankenloser Ausbeutung. Die Freizügigkeit der Menschen wird durch ein »Schengener Abkommen« mit seinen elektronisch gesicherten Grenzen und durch einen 2.000 km langen Zaun und Bürger- wehren zwischen Mexiko und den USA verhindert bzw. durch »Green Cards« im Sinne der Kapitalinteressen reguliert.

Clinton wird heute als Vertreter einer »new economy« gefeiert, der in Westeuropa heftig nachgeeifert wird. Es handelt sich allerdings um eine »neue Ökonomie«, die zu einer krassen Anhäufung von Reichtum führt. Die UNO-Unterorganisation UNDP vermeldete im März 2000: »Das Vermögen der drei reichsten Männer der Welt - zwei von ihnen sind US- Bürger - ist größer als das Bruttoinlandsprodukt der 48 ärmsten Länder der Welt, in denen wiederum 600 Millionen Menschen leben.«

Es handelt sich um eine »neue Ökonomie«, in der Bill Gates auch dann noch als superreich gelten kann, nachdem die jüngsten Turbulenzen den Börsenwert seiner Firma Microsoft um 80 Milliarden US-Dollar reduzier- ten, wobei allein dieser Verlust den gesamten Börsenwert von Daimler- Chrysler übersteigt. Es handelt sich um eine »new economy«, in der einzelne Branchen weltweit nur noch von wenigen Unternehmen beherrscht werden: Zehn Autokonzerne kontrollieren 75 Prozent der weltweiten Pkw- Produktion, sechs Ölkonzerne vereinen 80 Prozent der internationalen Ölförderung, zwei Flugzeughersteller kontrollieren 90 Prozent der globalen Jet-Produktion, und ein Unternehmen kontrolliert 95 Prozent der Betreiber-Software für PC. Wenn Franz-Josef Degenhardt vor drei Jahrzehnten sagte, der »rheinische Kapitalismus« bestehe darin, alle vier Jahre zwischen Dash und Omo wählen zu dürfen, dann dürfen wir im heutigen Neoliberalismus zwischen Gates und Microsoft wählen - das allerdings tagtäglich.

Und was hat es mit dem langen Boom auf sich, der die Ära Clinton seit 1992 durchgängig begleitete? Ein rational erklärbarer Glücksfall, wie es ihn allerdings 1961 bis 1969 und 1983 bis 1989 ebenfalls gab - das letzte Mal auch mit dem Zusammenfallen von zwei Amtszeiten eines Präsidenten, der von Ronald Reagan. Am Ende der Jubelstimmung stand immer das Jammertal einer neuen Krise. Und diese wird im Augenblick von den überhöhten Börsenkursen und den Bremsmanövern der US-Zentralbank Fed vorbereitet. Im übrigen sind die vier Zinserhöhungen, die die Fed in den letzten Monaten vornahm, Teil des Wirtschaftskriegs: Mit ihnen wird die Attraktivität des Dollar-Raums weiter erhöht, die Flucht aus Euro- Anlagen begünstigt, die Europäische Zentralbank ihrerseits zu Zinser- höhungen angehalten - und eine »harte Landung« der Ökonomie nicht nur in den USA, sondern auch in Europa in Kauf genommen.

------------------- Militärische Kriege -------------------

Die dritte Form des Krieges, die die Pax Americana begründen, sind die real existierenden. In der 45jährigen Periode 1945 bis 1990 führten die USA »nur« zwei größere Kriege: den in Korea (1950 bis 1953) un den- jenigen in Vietnam (1963 bis 1975). Dazwischen gab es viele »kleinere« Militärinterventionen: gegen Kuba, Grenada, Nikaragua, Panama, Libyen usw.

In den vergangenen zehn Jahren führte die US-Regierung bereits zwei größere Kriege: 1990/91 gegen den Irak und 1999 gegen Jugoslawien. Hinzu kamen erneut verschiedene militärische Interventionen: gegen Somalia, gegen Libyen, gegen den Sudan. In der Amtszeit Clintons wurde eine neue US-Militärdoktrin formuliert; in den Worten des damaligen Generalstabschefs Shalikashvili: »Als Macht mit weltweiten Interessen ist es absolut erforderlich, daß die USA in der Lage sind ..., gleich- zeitig großangelegte, grenzüberschreitende Aggressoren in zwei weit auseinanderliegenden Regionen der Welt zu besiegen.« 1999 gab es an- satzweise die Konstellation von zwei Parallel-Kriegen: Die Soldaten, die im April und Mai 1999 auf den US-Flugzeugträgern die Bomben unter die Kampfjets montierten, wußten oft nicht, ob die tödliche Fracht gen Belgrad oder gen Bagdad getragen werden würde.

Die Worte »Wir sind stets bereit dazu, Gewalt zur Verteidigung unserer nationalen Interessen anzuwenden. Solange, bis die menschliche Natur sich ändert, werden Macht und Gewalt im Zentrum der internationalen Beziehungen stehen« stammen nicht von Dschingis Khan, sondern von Anthony Lake, Clintons Sicherheitsberater, der damit darlegte, daß die Pax Americana zu jedem beliebigen Zeitpunkt militärisch zuschlagen könnte.

Der US-amerikanische Linksintellektuelle Noam Chomsky hat während des Balkan-Kriegs 1999 das Grundprinzip der Pax Americana in die Worte gefaßt: »Wir müssen auf das Bild des Mafia-Bosses zurückgreifen: Wenn jemand kein Schutzgeld bezahlt, dann muß der Mafia-Boß seine Glaubwür- digkeit wiederherstellen, damit nicht noch andere auf die dumme Idee kommen, den Gehorsam zu verweigern. Was Clinton & Co. sagen, ist: Es ist notwendig, daß alle genügend Angst vor dem Weltpolizisten haben.« Um diese Angst zu steigern, läßt Clinton in seinen letzten Tagen im Amt den Beschluß zu einer gigantischen Raketenabwehr, dem »National Missiles Defence«-Programm, fassen.

Diejenigen, die sich in Aachen und Berlin um Clinton scharten, sind allerdings überwiegend der Auffassung, daß sich die Pax Americana dem Ende nähere und die Zeit zum Abstecken eigener Claims gekommen sei. Deswegen lautete der entscheidende Punkt auf der Tagesordnung des Kölner EU-Gipfels am 2. Mai 1999, mitten während des Krieges: Aufbau einer von der NaTO und von den USA unabhängigen EU-Streitmacht. Deshalb wurde Anfang 2000 der Beschluß gefaßt, daß die WEU eine eigene Inter- ventionstruppe von zunächst 50.000 Mann aufstellt, die allein einem EU- Kommando untersteht - wogegen die US-Regierung heftig protestierte. Deswegen wurde beschlossen, daß die EU ein eigenes Satellitensystem mit der Bezeichnung »Galileo« im Weltraum stationiert. Sein offizieller Zweck ist, Autofahrer, die im Stau stehen, mittels elektronischer »Telematik« in den nächsten Stau zu geleiten. Das ermöglicht es, »Galileo« aus den Verkehrsetats zu finanzieren. Tatsächlich erfüllt das System überwiegend militärische Zwecke. Im Balkankrieg 1999 waren die EU-Militärs völlig auf das von den USA kontrollierte Satelitten- system GPS angewiesen. Das soll sich in Zukunft ändern - für die »vitalen Interessen Europas« wollen die Militärs der EU autonom Kriege führen können.

Der Gedanke, die Ablösung der »unipolaren« Welt einer »Pax Americana« durch eine neuerlich »bipolare Welt«, in der sich die USA und die EU die Welt-Macht teilten, bringe mehr Frieden und verdiene linke Unter- stützung, ist fatal. Zwei Füchse im Hühnerstall meucheln nicht weniger, sondern mehr. Die jüngeren und »dynamischeren« Mafia-Bosse der EU (oder demnächst Japans) sind nicht weniger gewissenlos wie der Pate Uncle Sam. Wer ihnen seine Unterstützung anbietet, arbeitet einem neuen Nationalismus, der neue Kriege gebiert, in die Hände. Niemand soll später sagen, das habe keiner wissen können. Die Umrüstung der Bundeswehr, der Aufbau einer EU-Interventionsarmee, die neuen EU- Rüstungsprojekte und Konzentration der EU-Rüstungsproduktion in dem neuen Konzern EADS sind deutliche Zeichen. Im übrigen wurde bereits die Region identifiziert, wo der nächste Krieg - für Menschenrechte? für politisch-korrektes »Regieren im 21. Jahrhundert«? - geführt werden könnte. Im Anschluß an den Balkan-Krieg 1999 »äußerte der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Naumann auf einem Forum der Welt am Sonntag: »Wir können mit einiger Zuversicht den heraufziehenden Stürmen des 21. Jahrhunderts entgegensehen. Und diese Stürme werden kommen. Und sie werden keine lauen Winde sein. Dann könnten wir viel- leicht auch die Hoffnung haben, daß Kosovo möglicherweise doch der letzte Krieg in Europa war - vorausgesetzt, Sie sind nicht allzu großzügig in Ihrer Definition, was Europa ist.«

(*) Zusammenfassung einer Rede, die Winfried Wolf am 1. Juni 2000 in Aachen auf Einladung eines breiten Bündnisses gegen den Clinton- Besuch hielt