taz Berlin lokal 6.6.2000

"Keine Misshandlung"

Werthebach bestreitet Vorwürfe, dass ein Tunesier bei einem Abschiebeversuch misshandelt worden sei

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat gestern bestritten, dass der 24-jährige Tunesier Atef B. bei einer von insgesamt fünf gescheiterten Abschiebungen misshandelt worden ist. Vor dem Innenausschuss erklärte Werthebach, dies sei "frei erfunden". Dem grünen Abgeordneten Hartwig Berger, der in einer Pressekonferenz auf den Fall aufmerksam gemacht hatte (taz vom 5. 6. 00), warf Werthebach eine "beinahe verleumderische Handlungsweise" vor.

Berliner Polizisten hätten den Mann an Beamte des Bundesgrenzschutzes übergeben, die ihn ins Flugzeug gebracht hätten. Dort habe er sich gewehrt, worauf ihn die Beamten mit dem Kopf gegen die Kopfstütze des Vordersitzes gedrückt hätten. Weil der Mann laut geschrien habe, habe die Flugzeugbesatzung BGS und Abschiebehäftling aus der Maschine verwiesen.

Der 24-Jährige gehört einer verbotenen islamischen Oppositionspartei an. Abschiebeversuche lösten bei ihm Panikattacken aus, sagte der bündnisgrüne Abgeordnete Wolfgang Wieland gestern.

Werthebach erklärte, Atef B. sei wegen einer Strafttat in Abschiebehaft genommen worden, und rückte ihn damit in eine kriminelle Ecke. Was Werthebach verschwieg: Bei der Straftat handelt es sich lediglich um einen Verstoß gegen die Auflage, Leipzig nicht zu verlassen. Atef B., der im Laufe seines Asylverfahrens von Berlin nach Leipzig verlegt wurde, sei wegen eines Termins bei seiner Rechtsanwältin nach Berlin gereist, erklärte der Cousin gegenüber der taz.

Werthebach sah gestern keinen Anlass, den abgelehnten Asylbewerber freizulassen, wie PDS und Grüne gefordert hatten. Atef B. entziehe sich seiner "Pflicht auszureisen", so der Innensenator. Dies sei der einzige Grund, warum er noch in Abschiebehaft sitze. WIN