Frankfurter Rundschau, 2.6.2000

Wie ein Ordnungsdezernent mal ganz ins Unreine redete

Mit Tiraden gegen Libanesen hat sich der Essener CDU-Politiker Ludger Hinsen mächtig Ärger eingehandelt

Von Ingrid Müller-Münch (Köln)

Der Essener Ordnungsdezernent Ludger Hinsen (CDU) mag keine libanesischen Flüchtlinge. Zumindest will er sie, egal wie, aus Essen verbannen. Dies hat er bereits mehrfach bekundet. Jetzt hat er eine Anzeige wegen Volksverhetzung am Hals.

Kürzlich wurde Ludger Hinsen in der Lokalpresse mit den Worten zitiert: "Mal ehrlich, Libanesen, die ihren Lebensunterhalt meist mit Drogenhandel verdienen, wollen wir doch wohl nicht haben." Angeblich war er, schon kurz nach seinem Amts-antritt, einem "riesigen Asylbetrug" auf der Spur, der die Stadt jährlich um 25 Millionen Mark gebracht haben soll - und den zu belegen er bis heute schuldig blieb. Woraufhin ihm aus der Ratsopposition und von Pro Asyl "ausländerfeindliche Stimmungsmache" vorgeworfen wurde.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Am Rande einer Hauptausschuss-Sitzung deckte Hinsen am 17. Mai laut Ohrenzeugen frei von der Leber weg seine Vorstellungen darüber auf, wie man die etwa 2000 meist seit über 13 Jahren in Essen lebenden Flüchtlinge aus Libanon loswerden könne. Diese "staatenlosen Libanesen" wolle er "mit allen Mitteln" abschieben - "und wenn wir sie mit dem Flugzeug abwerfen", soll er gesagt haben. Die Umstehenden müssen nach diesem Ausspruch Hinsens derart entsetzt geguckt haben, dass SPD-Ratsfrau Britta Altenkamp-Nowicki, die just in diesem Moment dazutrat, gleich merkte, "hier war etwas Ungewöhnliches geschehen".

Kurz darauf geriet der CDU-Politiker so richtig in Fahrt und erklärte - so erinnert sich Britta Altenkamp-Nowicki - nun vernehmlich, er wolle "etwas für die Deutschen tun. Die Bürger im Norden (Essens) wollen nicht mit den Libanesen zusammenleben. Deshalb müssen diese Leute raus."

Seitdem diese Äußerungen bekannt wurden, ist im Essener Rathaus der Teufel los und auf Fluren und in Amtsstuben wird die Frage diskutiert: Hat er es gesagt? Wenn ja, darf er so was sagen? Wenn nein, welche Konsequenzen entstehen für ihn hieraus? Städtische Mitarbeiter, die bei Hinsens Sprachentgleisungen dabei waren, hielten sie in einem Gesprächsprotokoll fest und informierten Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger - einen Parteifreund von Christdemokrat Hinsen. Er versuchte die Wogen durch die beschwichtigende Versicherung zu glätten, es werde auch künftig in jedem Einzelfall der ausländerrechtliche Status eines libanesischen Flüchtlings gründlich überprüft, und zwar "ausschließlich nach geltendem Recht und Gesetz".

Derweil erklärte Ordnungsdezernt Hinsen, er bedaure es, falls "Aussagen aus einem nicht autorisierten Vermerk bei einem nicht öffentlichen Gespräch zu Missdeutungen Anlass gegeben haben." Außerdem bestehe er auf der Feststellung "dass Zitate aus diesem Gespräch aus dem Zusammenhang gerissen beziehungsweise falsch sind." Die Essener Grünen jedenfalls haben Hinsen nun wegen Volksverhetzung angezeigt. Immerhin habe sich Hinsen bei seiner Äußerung, er wolle die Flüchtlinge notfalls mit dem Flugzeug abwerfen, auf Tötungsmethoden bezogen, die in den ehemaligen Militärdiktaturen Argentiniens und Chiles üblich waren. Die SPD-Ratsfraktion prüft derzeit noch, ob sie sich der Anzeige anschließen soll.

Bleibt noch die Frage zu klären, was darunter zu verstehen ist, wenn Essens Oberbürgermeister und sein Ordnungsdezernent öffentlich Einigkeit darüber bekunden, "dass bei diesem Thema auch sprachlich eine besonders sensible Handhabung geboten ist".

Verwaltungsmitarbeiter, die Hinsens Äußerungen mit anhörten, fragen sich nun, ob dies etwa bedeute, dass ein führender Verwaltungsbeamter zwar denken darf, er wolle Flüchtlinge am liebsten aus dem Flugzeug werfen lassen. Er dies aber tunlichst ob der sprachlich besonders sensiblen Handhabung nicht öffentlich äußern dürfe.