Wiesbadener Kurier, 2.6.2000

Polizei wacht nicht mehr vor der Kirche

Fall Akyüz: Nach Karlsruher Ablehnung neue Anträge

WIESBADEN (isa) Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde der kurdischen Familie Akyüz nicht zur Entscheidung angenommen hat, wird deren Anwalt Uwe Remus den Kampf gegen die Abschiebung noch lange nicht aufgeben. Es bestehe die Möglichkeit, beim Verwaltungsgericht Wiesbaden, das eine mündliche Verhandlung abgelehnt hat, neue Anträge zu stellen, sagt er dem KURIER. Und in jedem Fall will er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen. Während der Jurist an den Eilanträgen arbeitet, die beim Verwaltungsgericht bis 5. Juni eingehen müssen, versucht die elfköpfige Familie Akyüz mit dem Leben im Mainzer Kirchenasyl zurechtzukommen. Die Aufgeregtheiten der

Kein Schritt vor die Tür

ersten Tage sind vorbei, die Mutter und ihre Kinder wissen, dass sie den von der Evangelischen Studentengemeinde gewährten Schutzraum nicht verlassen dürfen - weil sie sonst sofort ins nächste Flugzeug gesetzt werden können. Wie berichtet, kämpfen unter anderem Wiesbadener Kirchengemeinden mit Propst Friedrich Weber an der Spitze, der Flüchtlingsrat und der Mainzer Studentenpfarrer Dr. Ulrich Luig für den Verbleib der Kurden in Deutschland, weil mehrere Familienmitglieder traumatisiert seien. Der Vater Abdulcabbar Akyüz ist im Februar zum zweiten Mal in die Türkei abgeschoben worden. Er hatte wegen politischer Verfolgung Asyl beantragt. Heute hält er sich in seiner Heimat versteckt. Dass er gefoltert und politisch verfolgt wurde, daran haben auch der "Stern" und ein ZDF-Fernsehteam, die in seiner Heimat recherchierten, keinen Zweifel.

Pfarrer Luig wird keinesfalls die Familie zur Aufgabe des Kirchenasyls bewegen, wie es beispielsweise die Wiesbadener CDU fordert. Mutter Akyüz, ihre Kinder sowie eine Schwiegertochter mit Baby bleiben unter dem Kreuz, von wo die Polizei die Familie auch nicht wegholen wird. Das sei im Innenministerium besprochen worden. Dort hatten Luig und Propst Weber auch erreicht, dass die Polizei nicht mehr rund um die Uhr Posten vor der Kirchengemeinde bezieht. Sie gehe und fahre Streife, schaue auch ins Innere, was die Familie nicht mehr erschrecke. Luig: "Sie tut nur ihre Pflicht." Für die Familie sei es gut, in der Studentengemeinde zu sein, denn hier lebten auch viele Kurden, die ihre Sprache sprechen und sich kümmern.