taz Hamburg 2.6.2000

Billiger krank in Ghana

Bundesamt will Flüchtling mit kaputter Niere abschieben. Hamburger Behörde soll seine Medikamente im Heimatland bezahlen

Von Elke Spanner

Über Jahre wurde alle sechs Monate der Katheder gewechselt, mit Vollnarkose, Eingriff, Röntgenaufnahmen. Jetzt versucht Seth Amo Yaw es mit Tabletten, "eine ganze Menge" täglich. Doch die kaputte Niere ist nicht sein größtes Problem. Mit seiner Krankheit kann der Ghanaer leben - solange er sie behandeln kann. Nicht aber mit der ständigen Ungewissheit, ob er sie weiterhin behandeln darf. Denn seit sechs Jahren kämpft Amo Yaw gegen die Aufforderung des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL), nach Ghana zurückzukehren - was für ihn, so sein Urologe in einem Attest, "mit sicher tödlichem Ausgang verbunden wäre".

Amo Yaws erstes ärztliches Gutachten stammt aus dem Jahr 1992, das vorläufig letzte von diesem April. "Ich müsste mich eigentlich um meine Gesundheit kümmern", sagt er und fasst zusammen, was er stattdessen tut: "Waiting, waiting, waiting". Vorigen Oktober schöpfte Amo Yaw Hoffnung auf eine Entscheidung. Da lud das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) zur mündlichen Verhandlung. Amo Yaws Ärzte erläuterten den Krankheitsstand und die Behandlung. Ein Urteil wurde dem Ghanaer aber bis heute nicht zugestellt.

Denn statt einem krankheitsbedingten "Abschiebehindernis" zuzustimmen, forderte das BAFL ein weiteres Gutachten an, diesmal beim Hamburger Tropeninstitut. Dessen Stellungnahme: In Ghana können weder Kathederoperationen noch Notfalldialysen durchgeführt werden. Der Sachbearbeiter des BAFL konterte mit einer neuen Idee: Obwohl Amo Yaw "jederzeit mit einer Notfallsituation zu rechnen hat", könnten die Tabletten womöglich "zumindest eine Verschlimmerung" seines Zustandes verhindern. Deshalb, so das BAFL, solle das OVG bei der Hamburger Ausländerbehörde nachfragen, ob diese in Ghana alle Medikamente für Amo Yaw zahlen würde - so dass er doch abgeschoben werden könnte.

In der Hamburger Ausländerbehörde allerdings stößt es auf Irritation, dass das Amt auf unabsehbare Zeit die Medikamente eines unheilbar Kranken bezahlen soll. Es habe in der Vergangenheit zwar einzelne Fälle gegeben, in denen einem Flüchtling für die ersten Tage nach der Rückkehr ein Vorrat an Medizin mit auf den Weg gegeben wurde. "Aber ein Fall, in dem die Behörde eine Dauerbehandlung übernommen hätte, ist mir nicht bekannt", sagt Sprecher Norbert Smekal.

Amo Yaws Anwalt Matthias Ritz bezeichnet das Ansinnen des Bafl in seinem Schreiben an das OVG als "völlig unrealistisch". Ob das Gericht dem trotzdem nachgehen wird, ist bisher ungewiss. Eine Entscheidung, sagt Amo Yaw kann wieder Jahre dauern, "weil die Ausländerbehörde erst ein Gutachten über die Behandlungskosten einholen müsste". Bislang ist der Behörde nach Auskunft von Smekal nicht einmal eine entsprechende Anfrage bekannt.