Frankfurter Rundschau, 30.5.2000

"Wahrscheinlich keine Gefahr"

Gericht schickt jungen Exil-Oppositionellen nach Togo zurück

Von Karsten Plog

HAMBURG, 29. Mai. Ein junger Togolese soll aus Hamburg abgeschoben werden, obwohl sein Vater - Mitglied der oppositionellen togolesischen "Union Force Changement" (UFC) - verschwunden ist, sein Bruder in der Heimat getötet wurde und er selbst in der Exil-Opposition tätig war. Das Verwaltungsgericht der Hansestadt sieht im Fall einer Abschiebung für den 19-Jährigen "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" keine Gefahr. Die Duldung des Westafrikaners ist abgelaufen. Der 1981 geborene Abdou Razak Amadou wuchs ohne Mutter mit seinem Bruder beim Vater in Togo auf. Der Vater wurde als UFC-Mitglied verfolgt, verschleppt und gefoltert. Die Söhne traten der Jugendorganisation der UFC bei, verteilten politische Flugblätter und verkauften oppositionelle Zeitungen. Abdou Razak Amadou wurde von Männern, die seinen Bruder suchten, in seiner Wohnung in Togo überfallen, misshandelt und mit einer Waffe bedroht. Daraufhin flohen die Geschwister nach Ghana. Amadous Bruder wurde kurz darauf beim Versuch, über die grüne Grenze nach Togo zurückzukehren, verhaftet und wenig später tot aufgefunden. Amadous sagt, er habe die Leiche gesehen und sei dann nach Deutschland geflüchtet. Dort beantragte er 1996 Asyl. In Hamburg besucht der 19-Jährige die Schule und will seinen Realschulabschluss machen. Bei Kundgebungen warf er dem Regime in Togo beispielsweise vor, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Das Hamburger Verwaltungsgericht äußerte an der Darstellung Amadous von den Ereignissen in der Heimat keine Zweifel. Die Richter gehen zudem davon aus, dass die Anhänger des togolesischen Diktators Eyademas "mit Brutalität und Rücksichtslosigkeit die Erhaltung ihrer Macht verfolgen". Dabei werde auch die Bevölkerung nicht verschont, und es komme immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese "am Rande der politischen Auseinandersetzungen immer wieder auftretenden Übergriffe" seien aber nicht "von einer derartigen Häufung, dass ein jeder Bürger Togos und damit auch jeder Rückkehrer konkret als gefährdet anzusehen wäre", urteilte nun das Gericht. Der Hamburger Flüchtingsrat nannte diese Einschätzung angesichts der Geschichte Amadous "unmenschlich" und wandte sich vorige Woche mit einer Protestveranstaltung an die Öffentlichkeit.