Frankfurter Rundschau 30.05.2000

Libanon riegelt den Süden des Landes ab

Israelische Siedler drohen Premier Barak mit Mord

Die libanesische Armee hat den ehemals von Israel besetzten Süden des Landes am Montag abgeriegelt und Kontrollposten an den Straßen errichtet. Israelische Siedler drohten Premier Ehud Barak wegen der Verhandlungen mit den Palästinensern über die Zukunft des Westjordanlandes.

JERUSALEM, 29. Mai (rtr/afp/dpa). Die libanesische Armee wies Autofahrer und Journalisten ohne Sondergenehmigung an der Grenze ab. Im Süden Libanons blieb es ruhig. Die Regierung in Beirut versprach den Wiederaufbau Südlibanons nach den 22 Jahren Besatzung. Ministerpräsident Selim el Hoss sagte, er hoffe, dass der Abzug Israels der Wirtschaft seines Landes einen Impuls verleihe und die politische Stabilität fördere.

Syrien und Iran kündigten an, gegen jegliche Versuche Israels vorzugehen, im Südlibanon wieder Spannungen zu schüren. Beide Länder bemühten sich, eine Eskalation zu verhindern, sagte Syriens Außenminister Farouk al-Scharaa nach Konsultationen mit seinem iranischen Amtskollegen Kamal Kharrasi.

Knapp eine Woche nach dem Abzug der israelischen Truppen aus Südlibanon verlängerte ein Gericht in Tel Aviv die Haft von zwei seit Jahren ohne Urteil inhaftierten libanesischen Schiitenführern. Der Sondergesandte der Vereinten Nationen, Terje Roed-Larsen, empfahl der israelischen Regierung die Freilassung der beiden Gefangenen.

Der Chef einer militanten Siedlungsbewegung warnte Premier Barak, er werde möglicherweise dasselbe Schicksal wie der 1995 ermordete Regierungschef Yitzhak Rabin erleiden. In einer im Armeerundfunk gesendeten Rede vor Mitgliedern seiner Organisation "Nächste Generation" sagte Schimon Riklin, nach Baraks Plänen sollten 100 000 Juden das Westjordanland verlassen. Nach einem Friedensschluss mit den Palästinensern würden dann in ihre Siedlungen Araber einziehen. "Falls er (Barak) sein gefährliches Programm umsetzen sollte, was der Himmel verhüten möge, wird er möglicherweise nicht mehr lange leben", sagte Riklin.

Peres soll Weizman folgen

JERUSALEM (dpa). Der frühere israelische Ministerpräsident Schimon Peres ist am Montag von der regierenden "Ein Israel-Partei" als Kandidat für die Nachfolge von Staatspräsident Eser Weizman nominiert worden. Peres wird bei der Wahl durch die Knesset voraussichtlich im Juli gegen den Kandidaten des oppositionellen Likud-Blocks, Mosche Katsav, antreten. Beide Kandidaten wurden am Montag von den Fraktionen beider Blockparteien einstimmig nominiert. Die vorzeitige Neuwahl des Präsidenten war durch den Rücktritt Weizmans notwendig geworden, der wegen seiner Verwicklung in einen Korruptionsskandal seinen Rücktritt für den 10. Juli angekündigt hatte.