Neue Zürcher Zeitung (CH), 29.05.2000

Parlamentseröffnung in Teheran durch Khatami

Kurzfristiger Verzicht Rafsanjanis auf sein Mandat

Der iranische Präsident Khatami hat am Samstag das neue Parlament mit einer Dreiviertelmehrheit von Reformern eröffnet. Da der Vorkämpfer der Konservativen, der Präsident des Rats zur Förderung des Staatsinteresses, Rafsanjani, auf seinen Sitz verzichtete, verschiebt sich die Front zwischen Erneuerern und Bewahrern zwischen die Institutionen.

vk. Beirut, 28. Mai

Der iranische Präsident Khatami hat über drei Monate auf die Bestätigung seines Wahlsiegs durch die Eröffnung des neuen Parlaments warten müssen, und auch die Mehrheitsverhältnisse in der Majlis ändern nichts an der Begrenztheit des Einflusses der Reformer. Khatamis Anhänger belegen zwar rund drei Viertel aller Sitze im Parlament und können somit die Gesetzgebung und die Erfolgskontrolle auf die Ziele der Reformregierung des Präsidenten abstimmen. Doch muss nach der Verfassung der Islamischen Republik jeder Parlamentsbeschluss vom Wächterrat auf seine Vereinbarkeit mit den religiösen Grundsätzen überprüft werden. Und im Falle eines Konflikts zwischen Volksvertretern und Wächtern soll der Rat zur Förderung des Staatsinteresses den Entscheid fällen. Letzte Schlichtungsinstanz ist der Führer der Islamischen Revolution, Ayatollah Khamenei. Sowohl die Wächter als auch der Vorsitzende des Rates zur Förderung des Staatsinteresses, Rafsanjani, hatten im Wahlkampf mit allen Mitteln gegen die Reformer gefochten. Erst das Machtwort Khameneis setzte ihrem dreimonatigen Widerstand ein Ende.

Aufruf zur Sammlung
Khatami gab in seiner Eröffnungsrede im Parlament einen versöhnlichen Ton vor. Er rief nach der Zusammenarbeit aller Kräfte für die Heilung der «kranken Wirtschaft» Irans. Und er erwartete ein Klima des Vertrauens, frei von den «künstlich provozierten Krisen» seiner vergangenen drei Amtsjahre. Als Ziele nannte er die Reform der Bürokratie, die Herstellung sozialer Gerechtigkeit, die Lösung der Probleme der jungen Generation, das Stopfen der Lücken in der Gesetzgebung zur Sicherung der nationalen Interessen und der Stabilität. Er rief auch nach einer Dezentralisierung der Verwaltung und nach Abtretung weiterer Kompetenzen an die lokalen Behörden.

Der Rest der Eröffnungszeremonie illustrierte freilich eher die schwierige Lage. So schob Khamenei in einer schriftlichen Botschaft an den Majlis deutlich die Verantwortung dem Präsidenten zu; er bemerkte, das Volk habe die Regierung nun mit dem passenden Gesetzgebungsapparat ausgestattet, der die Lösung der anstehenden Probleme erlaube. Auf der Tribüne sassen aber lauter unbequeme Partner, etwa der frühere Präsident Rafsanjani. Dieser hat am Donnerstag Abend überraschend den Verzicht auf sein Parlamentsmandat erklärt, welches er nach der Niederlage in der ersten Stimmenauszählung erst nach den ausgedehnten «Nachzählungen» des Wächterrats zugesprochen erhalten hatte. Damit lässt er auch die ungewisse Ambition auf den Parlamentsvorsitz fallen und zieht sich auf die Rolle des Schiedsrichters im Rat für das Staatsinteresse zurück. Ob er dort wieder auf Distanz zu den konservativen Bremsern gehen will, bleibt abzuwarten.

Geduld ist weiterhin gefragt
Neben Khatami sass der Chef der Justiz, Ayatollah Hashemi Shahrudi, der die Verantwortung für den jüngsten Feldzug der Gerichte gegen 18 reformerische Zeitungen trägt. Unter den Ehrengästen war auch General Safavi, der Kommandant der Revolutionswächter, unter denen liberale Journalisten die wahren Urheber des vereitelten Mordanschlags gegen den prominenten Reformer Said Hejarian vermuten. Die Regierungszeitung «Iran Daily» fasste Khatamis e inigermassen unmögliche Aufgabe mit den schönen Worten zusammen: «Der neue Majlis muss ein Symbol für die Harmonie zwischen religiöser und nationaler Macht sowie effizienten Reformen sein.» Die Hoffnung auf schnelle Resultate ist gewiss fehl am Platz. Die Geduld der jungen Wählergeneration und der Anhänger Khatamis, die schon seit dessen Wahl vor drei Jahren strapaziert wird, dürfte weiter auf eine harte Probe gestellt werden.