Main-Echo, 29.5.2000

Flüchtlinge sitzen derzeit sehr lange in Abschiebehaft

»ai«-Mitglieder beklagen zu geringe Anerkennungsquote

Würzburg. Asylexperten von amnesty international (ai) im Bezirk Würzburg betreuen immer mehr Flüchtlinge, die seit 15 Jahren oder noch länger auf eine Entscheidung über ihren Aufenthalt warten. Dies wurde bei der Vollversammlung der Menschenrechtsorganisation am Samstag in Würzburg kritisiert. »Man erzeugt bewusst eine hohe Zahl von Flüchtlingen, indem man nicht entscheidet«, klagte das ai-Mitglied Reinhold Münster.

Nach Informationen des Spezialisten für Asylverfahrensfragen befinden sich derzeit 150 Flüchtlinge in der Justizvollzugsanstalt Würzburg in Abschiebehaft. Nur etwa die Hälfte von ihnen wurde nach den Worten Münsters aufgrund krimineller Delikte inhaftiert. Viele Häftlinge müssten lange auf ihre Abschiebung warten: »Eine Wartezeit von etwa 17 Monaten ist inzwischen normal.« Dies gelte nicht nur für Würzburg, sondern für ganz Deutschland.

Münster beklagte in diesem Zusammenhang, dass nur noch wenige Flüchtlinge in Deutschland Asyl bekommen. Die Anerkennungsquote bei Afghanen liege in der Bundesrepublik bei derzeit 1,5 Prozent, während die Schweiz rund 30 Prozent aller afghanischen Flüchtlinge als politisch verfolgt anerkennt. Für das englische Oberhaus gelte Deutschland inzwischen nicht mehr als sicheres Herkunftsland, was kurdische Flüchtlinge und geflüchtete Kriegsdienstverweigerer anbelange.

Harsch kritisierte Münster, dass kranke Flüchtlinge selbst dann abgeschoben würden, wenn ihre Überlebenschancen im Heimatland äußerst gering sind: »Die Ausländer- und Sozialbehörden handeln inzwischen iat.«

Häufig würden kranke Flüchtlinge aus der Würzburger Aufnahmeeinrichtung nicht ausre ichend medizinisch versorgt. Auch weigerten sich die Behörden oft, qualifizierte Dolmetscher zu finanzieren, die bei der Diagnosenstellung behilflich sein könnten.

Die Mitglieder von amnesty international im Bezirk Würzburg schrieben im vergangenen Jahr mehr als 580 Briefe, knapp 130 Faxe und neun E-Mails an ausländische Behörden mit der Forderung, gewaltlose Gefangene, die wegen ihrer politischer oder religiösen Überzeugung inhaftiert sind, unverzüglich freizulassen, informierte Uta Jagusch.

Die Mehrheit der Mitglieder äußerte Bedenken gegenüber der augenblicklich diskutierten Mandatsausweitung von amnesty international. Angesichts des Mitgliederschwunds müsse ai sein Profil bewahren, das darin bestehe, der Verletzung von Menschenrechten durch die Konzentration auf einzelne politische Gefangene ein Gesicht zu geben. Durch einen allgemeinen Kampf - zum Beispiel gegen Kindersoldaten oder Landminen - gehe dieses Profil verloren.