Rheinpfalz, 27.5.2000

Kirche schützt junge Kurden

Protestantische Pfarrer in Haßloch fürchten um Leben von Geschwisterpaar

HASSLOCH (ted/epd). Die protestantische Kirchengemeinde in Haßloch gewährt seit gestern zwei jungen Kurden Kirchenasyl. Den von Abschiebung bedrohten Geschwistern soll Schutz geboten werden bis zu einer letzten Verhandlung über ihren Asylnachfolgeantrag, die Ende Juni am Verwaltungsgericht Neustadt ansteht.

Mehmet (17) und Raime Orak (20) leben seit 1993 bei Verwandten in Haßloch. 1995 stellten sie einen Asylantrag, der 1999 rechtskräftig abgelehnt wurde. Einen Folgeantrag nahm das Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht an, so dass nun im März die Abschiebung der beiden in ihre Heimat drohte. In letzter Minute konnte dies durch einen Petitionsantrag der vier protestantischen Pfarrer in Haßloch verhindert werden. Sie fürchten im Falle einer Rückführung um Leib und Leben der Geschwister.

Allerdings entschieden inzwischen sowohlder Petitionsausschuss als auch der Landtag, dass das Verfahren nicht noch einmal aufgerollt werden müsse. Nun steht am 27. Juni noch eine letzte Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Neustadt an, das die Anerkennung der Geschwister als Flüchtlinge beschließen könnte. Mindestens bis zu diesem Termin will die Kirchengemeinde das Asyl gewähren. "Beim bisherigen Asylverfahren wurden nur rein formale Gesichtspunkte herangezogen", begründet Pfarrer Hermann Munzinger diesen Weg, der im Landkreis Bad Dürkheim in den vergangenen Jahren nur einmal gegangen wurde. Das Kirchenasyl sei in enger Abstimmung mit den Behörden erfolgt, die zugesagt hätten, bis zum Gerichtstermin nicht einzuschreiten. Hermann Munzinger verweist ebenso wie Manfred Asel, Flüchtlingsbeauftragter beim Diakonischen Werk der Pfalz, auf mehrere Familienangehörige der Oraks, die teilweise unter mysteriösen Umständen zu Tode kamen. Der jüngste Fall geschah im Februar. Ein aus Deutschland abgeschobener Cousin der Oraks habe Selbstmord begangen, nachdem türkische Sicherheitskräfte sein Elternhaus gestürmt hatten, um ihn zum Wehrdienst einzuziehen. Dass kurdische Wehrpflichtige großen Gefahren und Misshandlungen ausgesetzt sind, bestätigen laut Munzinger auch Amnesty International und das Auswärtige Amt. "All diese Informationen wurden bislang nicht berücksichtigt", empört sich der Pfarrer. Vor dem Verwaltungsgericht in Neustadt sollen sie endlich öffentlich gemacht werden. Man erhofft sich von der Verhandlung, dass das Bundesamt verpflichtet wird, im Fall der Oraks einen positiven Bescheid zu erlassen. Für Manfred Asel gibt es auch noch einen allgemeinen Hintergrund: "Es sollte einmal geklärt werden, ob man kurdische Jugendliche überhaupt abschieben muss, wenn man weiß, welche Gefahren ihnen beim Wehrdienst drohen." Die evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz haben in dieser Woche schon zweimal das Kirchenasyl gewählt, um die Abschiebung von Kurden zu verhindern: In der Kirche der Studentengemeinde in Mainz wohnt seit Mittwoch die elfköpfige Familie Akyüz.