web de 25.05.2000 18:22

Barak fordert Libanon zum Friedensschluss auf

Lahud soll «die Chance ergreifen» - Auch nach Libanon hineinragende Armeeposten abgebaut - Jubelfeiern an der Grenze

Fatima/Israel (AP)

Der israelische Ministerpräsident Ehud Barak hat einen Tag nach dem Abzug seiner Truppen aus Südlibanon an die libanesische Regierung appelliert, die Chance zum Frieden zu ergreifen. «Wir haben Ihr gesamtes Territorium bis zu der internationalen Grenze verlassen, die von den Vereinten Nationen anerkannt wird», sagte er am Donnerstag in einer Sondersitzung des Parlaments im Grenzort Kirjat Schmone. «Wir begehren kein einziges Stück Ihres Landes und wir stellen keine Forderungen außer der sorgfältigen Bewachung der Sicherheit an der gemeinsamen Grenze.»

Barak wandte sich mit seinem Appell direkt an den libanesischen Staatspräsidenten Emile Lahud. «Israel streckt seine Hand in friedlicher Absicht aus, mit der Vision einer besseren gemeinsamen Zukunft für die Kinder unserer beiden Völker.» Am Tag nach dem beschleunigten Abzug aus der seit 1985 beanspruchten so genannten Sicherheitszone wurden entlang der von den UN anerkannten, 1923 noch von den damaligen Kolonialmächten gezogenen Grenze israelische Armeeposten abgebaut, die nach Libanon hineinragten. Israel erfüllte damit eine Forderung der Weltorganisation, die zugleich Voraussetzung für eine erweiterte UN-Blauhelm-Mission entlang der israelisch-libanesischen Grenze ist. Barak wiederholte in seinem Friedensappell erneut seine Warnung vor massiven israelischen Vergeltungsschlägen, sollten von libanesischem Gebiet Angriffe auf Israel ausgehen.

Syrien reagierte auf den israelischen Truppenabzug mit einer Bekräftigung seines Friedenswunsches. In den amtlichen Medien wurde Israels Schritt zugleich als Schwäche gedeutet: «Israelische Führer, im Augenblick einer militärischen Niederlage, drohen uns mit Gewalt», hieß es im syrischen Rundfunk. «Aber wir - nicht wegen mangelnder Kraft - wollen Frieden für uns und die anderen.»

Bewaffnete Hisbollah-Kämpfer und Zivilisten feierten unterdessen entlang der israelischen Nordgrenze. Nur ein halb fertiger Zaun trennte in einigen Abschnitten die jubelnden Libanesen und die Soldaten auf israelischer Seite. Einige Feiernde warfen Flaschen und Brandbomben über den Stacheldrahtzaun, die meisten aber blieben friedlich.

Am früheren Hauptgrenzübergang Fatima demonstrierten hunderte Libanesen gegen den jüdischen Staat. Sie riefen Hisbollah-Parolen und, nach Israel gewandt: «Wir werden euch töten». Einige feuerten in die Luft, andere setzten ein von den Israelis zurückgelassenes Auto in Brand. Bewaffnete Sicherheitskräfte, offensichtlich Angehörige der Hisbollah-Miliz, konnten die Menge jedoch davon abhalten, Steine zu werfen. Die israelischen Soldaten hatten die strikte Weisung, nur zur Selbstverteidigung zu schießen. Wegen des überstürzten Rückzuges der israelischen Armee aus der Sicherheitszone sind die Grenzanlagen vielerorts noch unvollständig.