Neue Zürcher Zeitung (CH), 23.05.2000

Syrischer Machtwechsel mit Nebengeräuschen

Der Selbstmord des Ex-Premiers az-Zoobi

Wok. Damaskus, 22. Mai

Am Sonntag hat der ehemalige syrische Ministerpräsident az-Zoobi, wie bereits kurz berichtet, in seinem Haus in Damaskus Selbstmord verübt. Der 1987 zum Ministerpräsidenten ernannte Politiker hatte sein Amt im März als Folge einer Kabinettsumbildung verloren. Vor zwei Wochen wurde er überraschend auch seiner Funktion innerhalb der nationalen Führung der herrschenden Baath-Partei enthoben. In einer internen Untersuchung war ihm vorgeworfen worden, er habe während seiner Amtszeit das Gesetz verletzt und damit der nationalen Wirtschaft ernsthaften Schaden zugefügt. Auch az-Zoobis Söhne hätten von den Verfehlungen ihres Vaters in beachtlichem Mass profitiert. Mit diesen beschönigenden Worten wurde ausgedrückt, was jedermann im Lande wusste: Az-Zoobi hatte es bei der in der Politik verbreiteten Korruption zu weit getrieben und musste nun dafür büssen.

Wer ist der Nächste? Ausser den Angehörigen des ehemaligen Ministerpräsidenten werden nur wenige Leute in Syrien dem Politiker eine Träne nachweinen. Er war ausgesprochen unbeliebt, und ihm wurden korrupte Praktiken in grossem Umfang nachgesagt. Da er aber beileibe nicht der Einzige unter den amtierenden und ehemaligen syrischen Politikern ist, denen dieser Makel anhaftet, spriessen derzeit in Damaskus die wildesten Spekulationen ins Kraut. Klar ist einzig, dass das Regime seine Säuberungskampagne fortsetzen will. Am Montag wurde bekanntgegeben, dass der ehemalige Verkehrsminister Mufdi Abdelkarim wegen Korruptionsverdacht am Sonntag verhaftet worden sei und dass eine Untersuchung gegen ihn laufe.

Auffallend ist, dass die beiden Ereignisse in der staatsnahen syrischen Presse ihren Niederschlag nur in der Form von zwei dürren Meldungen der offiziellen Nachrichtenagentur fanden. In den überregionalen arabischen Zeitungen hingegen wurde den beiden Neuigkeiten, die auch in Damaskus wie eine Bombe einschlugen, mehr Platz eingeräumt. Es tauchten denn auch umgehend Zweifel an den Umständen von az-Zoobis Freitod auf. Denn der Angeklagte hätte in einem öffentlichen Prozess mit Bestimmtheit zu seiner Verteidigung die Namen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens belastet, die heute noch in Rang und Ehren sind. Sicher ist, dass die gegenwärtige Säuberungskampagne nicht zufällig mit den Vorbereitungen auf den neunten Kongress der Baath-Partei zusammenfällt.

Aufstieg von Bachar al-Asad? Am 17. Juni wird die Parteispitze nach einem Unterbruch von fünfzehn Jahren wieder zusammentreten. Es ist zu erwarten, dass im Lauf dieser fünf Tage dauernden Veranstaltung Bachar al- Asad, der 34jährige Sohn des Präsidenten, dessen Porträt bereits im Land omnipräsent ist, in die regionale Parteiführung befördert wird.