Die Welt, 23.5.2000

Menschenrechtler vermissen Rederecht

Ärger über Schilys Bündnis gegen rechte Gewalt

Von Armin Fuhrer

Berlin - Es soll eine schöne Feier werden, mit Starbesetzung und in stilvollem Rahmen. Wenn heute im prunkvollen Apollo-Saal der Staatsoper Unter den Linden in Berlin mediengerecht das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" ins Leben gerufen wird, sind die Vorkämpfer gegen rechte Gewalt und für Menschenrechte natürlich alle dabei: der federführende Bundesinnenminister Otto Schily, seine Kabinettskollegin Herta Däubler-Gmelin vom Justizministerium, die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck und Rita Süssmuth, das gute Gewissen der CDU. Nur diejenigen, die an der Front stehen im Kampf gegen rechte Gewalt und Ausländerfeindlichkeit, bleiben draußen vor der Tür. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Pro Asyl, Amnesty International oder Aktion Courage werden an der Veranstaltung nicht teilnehmen. "Wir können niemanden zwingen teilzunehmen", sagt Otto Schily trotzig. Doch von Zwang kann gar keine Rede sein: Die betroffenen Organisationen fühlen sich ganz im Gegenteil in der Staatsoper unerwünscht. "Wir haben die Einladungen erst vor drei Wochen bekommen. Da waren alle Vorgespräche und Verhandlungen über das Bündnis längst gelaufen", sagt Günter Burkhard, Geschäftsführer von Pro Asyl. Im Schily-Ministerium heißt es dagegen: "Die Organisationen haben alle rechtzeitig eine Einladung bekommen." Nicht für die Feier drinnen allerdings, sondern für einen bunten Markt unter dem Motto "Hinschauen, Handeln, Helfen" draußen vor der Oper.

Nach Vorstellungen Schilys sollen sich die NGOs auf dem Platz vor der Staatsoper mit vielen Ständen und bunten Aktionen präsentieren. Davon, dass beispielsweise auch einer ihrer Vertreter eine Rede halten dürfe, war indes nie die Rede. Nun sind sie verärgert über das Innenministerium, wollen von der Feier nichts mehr wissen - und haben kurzfristig eine eigene "Ergänzungsveranstaltung" auf die Beine gestellt. Auf dieser Veranstaltung, die vom DGB ausgerichtet wird, diskutieren unter anderem Vertreter des Zentralrats der Juden und des Deutschen Sportbunds über rechte Gewalt.

Hinter dem Streit um Rederecht und Teilnahme der NGOs, der auf den ersten Blick wie ein Resultat verletzter Eitelkeiten aussehen mag, steckt in Wirklichkeit eine tiefe Kritik an der Konzeption des Bündnisses. "Wir wissen überhaupt nicht, was da nun wirklich geplant ist." Es gebe noch gar keine richtige Konzeption. "Deswegen kommt auch die Feier zu früh", sagt die Sprecherin von Amnesty International, Eva Gutmann. Manche NGOs werfen dem Innenministerium vor, sie seien an den Vorbereitungen des Bündnisses nicht oder zu wenig beteiligt worden. "Das ist besonders erstaunlich, weil es doch Ziel der Bundesregierung ist, rechte Gewalt aus der Mitte der Gesellschaft und unter Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen zu bekämpfen", moniert Pro-Asyl-Mann Burkhard. So droht das Bündnis in den Augen der NGOs zu einem werbewirksamen PR-Gag für die Regierung zu verkommen.