taz Bremen 23.5.2000

Abschieber mit Sozialhilfe finanzieren

Sozialressort soll dem Innensenator finanziell unter die Arme greifen, damit er kurdische Libanesen schneller abschieben kann

Der Senat beschließt heute, dass die Abschiebung von Kurden aus dem kommunalen Sozialhilfeetat finanziert wird. Sozialsenatorin Hilde Adolf hat bereits zugestimmt, weil sie auf Einsparungen bei den Sozialhilfekosten hofft.

Laut Innensenator Bernt Schulte (CDU) haben sich über 500 Kurden als staatenlose Libanesen ausgegeben, obwohl sie eigentlich Türken seien. Diese Gruppe soll nun so schnell wie möglich in die Türkei abgeschoben werden. Aber dafür fehlt es dem Innenressort an Personal und Geld. Deshalb soll jetzt Soziales einspringen. Denn schließlich, so Schulte, werde durch die Abschiebungen bei der Sozialhilfe kräftig gespart.

Die Rechnung ist ganz einfach: Schulte schätzt, dass die Betroffenen insgesamt Sozialhilfe in Höhe von 300.000 bis 500.000 Mark monatlich beziehen. Ließe sich ihr Aufenthalt um ein Jahr verkürzen, könnten demnach zwischen 3,6 und fünf Millionen Mark eingespart werden. Das leuchtete auch Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) ein. Deshalb einigten sich beide darauf, dass das Sozialressort das Geld für eine beschleunigte Abschiebung bereitstellen wird. Heute wird der Senat deshalb beschließen, dass Soziales in den nächsten zwei Jahren fast eineinhalb Millionen Mark an den Innensenator überweist: für fünf befristete Stellen im Ressort und beim Stadtamt, Abschiebekosten und Sachkosten, in denen auch die Abschiebehaft inbegriffen sein soll.

Aber ganz überzeugt ist Adolf offenbar nicht von Schultes optimistischen Prognosen: Im Senatsbeschluss wird eine Sollquote von 50 Abschiebungen im Vierteljahr festgeschrieben. Wird sie verfehlt, kann Soziales die Abschlagszahlung für das betreffende Quartal um zwei Prozent kürzen. Wenn die zusätzlichen Verwaltungskräfte diesen Rückstand später wieder aufholen, fließt das Geld nachträglich in Schultes Kasse. "Wir sind natürlich an einer Kontrolle interessiert. Wenn sie weniger schaffen, bekommen sie auch weniger Geld", sagt Adolfs Sprecherin Heidrun Ide. Auch das Innenressort scheint nicht ganz überzeugt: Falls es nicht zu den "erwarteten Einsparungen" kommt, will Schulte dem Senat einen "Finanzierungsvorschlag vorlegen", heißt es sicherheitshalber in der Senatsvorlage.

Auch beteiligte Anwälte beurteilen die Situation eher vorsichtig: Über die Hälfte der beschuldigten Gruppe ist hier geboren. Für sie, so heißt es, bestehe nach gegenwärtiger Rechtsprechung durchaus die Chance auf ein Bleiberecht, soweit sie nicht durch kriminelle Handlungen selbst Ausweisungsgründe geschaffen hätten. Auch bei den Erwachsenen gibt es eine Reihe verschiedener Rechtslagen. In einigen Fällen könnten Gerichte zu der Auffassung gelangen, es handele sich um Libanesen, die die türkischen Papiere nur zu Fluchtzwecken erworben hätten. Auf jeden Fall stünden meist mehrjährige Verwaltungsgerichtsverfahren bevor, vermuten die Juristen. not