Wiesbadener Kurier, 19.5.2000

An Folterung wollte keiner glauben

Nach Odyssee: Verwaltungsgericht lehnte Klage eines 19-jährigen Türken jetzt endgültig ab

wt. - Er war 14 Jahre alt, als er im Jahre 1995 zum ersten Mal nach Deutschland kam. Er wollte hier gemeinsam mit seinem Bruder leben. Die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden versagte ihm jedoch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, seine dagegen gerichteten Rechtsmittel blieben erfolglos. Nachdem er auch seine Klage im April 1997 zurückgenommen hatte, kehrte er in die Türkei zurück. Im Februar 1998 stellte er einen Asylantrag und gab zur Begründung an, er und seine Familie hätten im Heimatdorf Kämpfer der PKK mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt, deshalb sei er von den Militärs festgenommen, verhört und auch gefoltert worden. Er sei mit Knüppeln auf die Beine geschlagen worden, seine Fußsohlen seien mit Rasierklingen aufgeschnitten und er sei gezwungen worden, danach auf Salz zu laufen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag ab; der damals zuständige Richter am Verwaltungsgericht Regensburg glaubte dem Kläger nicht. Er schaute sich die Fußsohlen des Klägers an und konnte keinerlei Spuren von Verletzungen finden. Dass sechs bis sieben Schnitte auf beiden Fußsohlen, die dem Kläger im September 1997 zugefügt worden sein sollen, im August 1999 narbenlos verheilt sein sollten, hielt er für äußerst unwahrscheinlich. Da der Kläger auch darüber hinaus zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal äußerst widersprüchliche Angaben gemacht hat, wurde seine Klage im August 1999 abgewiesen.

Im September 1999 beantragte er erneut seine Anerkennung als Asylberechtigter und begründete dies im Wesentlichen mit der angespannten Situation in der Türkei nach der Verhaftung von Abdullah Öcalan. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sah hierin keinen Grund, ein erneutes Asylverfahren durchzuführen. Ein Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden blieb am 25. November 1999 ebenfalls ohne Erfolg. Am 26. November 1999 wurde der junge Mann in die Türkei abgeschoben.

In dem beim Verwaltungsgericht Wiesbaden jetzt entschiedenen Klageverfahren (Aktenzeichen: 6 E 19127/99 A) trug der Rechtsanwalt des Türken vor, sein Mandant sei bei Ankunft auf dem Flughafen Istanbul verhaftet und dort bis zum 7. Januar 2000 inhaftiert gewesen. Verwandte des Klägers in der Türkei hätten einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Der Kläger habe sich einmal kurz telefonisch aus der Haft bei Verwandten gemeldet, seit seiner Freilassung habe die Familie keine Informationen mehr über sein Schicksal.

Die Einzelrichterin wollte nun selbst bei dem türkischen Rechtsanwalt des Klägers nachfragen und bat seinen Wiesbadener Anwalt, ihr Name und Kanzleisitz zu nennen; der Anwalt gab darauf hin an, ein Verwandter des Klägers habe einen Rechtsanwalt einschalten wollen, es aber dann doch nicht getan. Nun schaltete die Richterin das Auswärtige Amt ein und bat die Behörde, die genauen Umstände über die behauptete Inhaftierung auf dem Flughafen Istanbul aufzuklären. Das Auswärtige Amt fragte bei der Flughafenpolizei Istanbul nach und teilte der Richterin mit, der Asylsuchende sei am Flughafen zur Identitätsfeststellung vorläufig festgenommen und anschließend der Staatsanwaltschaft überstellt worden. Diese habe ihn noch am Tage seiner Ankunft in Istanbul wieder freigelassen. Im übrigen bedürfe es für eine derartig lange Haftdauer, wie sie von dem Kläger behauptet worden ist, der Anordnung durch den zuständigen Richter, hierfür lägen aber keinerlei Anhaltspunkte vor.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden, in der nun über die Klage entschieden worden ist, trat der Rechtsanwalt nicht auf. Die Richterin der 6. Kammer war der Überzeugung, dass über das Schicksal des Klägers nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Istanbul unwahre Behauptungen aufgestellt worden sind. Die Klage wurde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Ein Rechtsmittel hiergegen ist nicht möglich.