junge Welt, 18.05.2000

Deportation-Class der Lufthansa

Kampagne gegen Flughafenverfahren und Kasernierung von Abschiebehäftlingen im Transitbereich

Am 27. Mai findet auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt eine Demonstration gegen Abschiebungen statt. In dem Aufruf zu der Demo am Flughafen wird an die vielen Abschiebungen, die von Frankfurt/Main aus durchgeführt werden, und an die unmenschlichen Bedingungen im Transitbereicht des Flughafens erinnert. Angesichts des jüngsten Falls eines Selbstmordes sei Widerstand gegen diese Praxis dringend nötig. Der Hintergrund: Die algerische Asylbewerberin Naimah H. ist sieben Monate im Transitbereich des Frankfurter Flughafens eingesperrt gewesen. Dann hat sie dem Druck der drohenden Abschiebung nach Algerien und dem zermürbenden Aufenthalt im Transitbereich des Flughafens nicht mehr ausgehalten und sich das Leben genommen.

Für die Forderung nach »sofortiger Abschaffung des tödlichen >Flughafenverfahrens< und des Internierungslagers« am Flughafen gebe es zahlreiche Gründe: Allein vom Rhein- Main-Flughafen würden alljährlich mehr als 10 000 Menschen abgeschoben, heißt es weiter in dem Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration. Offiziellen Angaben zufolge setzten sich etwa zehn Prozent der Flüchtlinge aktiv zur Wehr. Dabei werde vieles geheimgehalten, vertuscht und bagatellisiert. Etwa die Hälfte aller Abschiebungen werde unter der Beteiligung der Lufthansa AG durchgeführt.

Erinnert wird von den Aufrufern auch an den sudanesischen Asylbewerber Aamir Ageeb. Er sollte am 28. Mai 1999 abgeschoben werden. Aus Angst vor Folter und Gefängnis im Sudan leistete er Widerstand. Drei Beamte des Bundesgrenzschutzes fesselten ihn an Händen und Füßen und setzten ihm einen Motorradhelm auf. Sie drückten ihn gewaltsam in den Sitz. Ageeb überlebte den Flug nicht. Er war nicht das erste Todesopfer. Im August 1994 starb der Nigerianer Kola Bankole, ebenfalls in Frankfurt/Main. Er war gefesselt, mit Skisocken und einem Rolladengurt geknebelt, vom Bundesgrenzschutz in das Flugzeug getragen und mit Injektionsspritzen »ruhiggestellt« worden. Auch er starb während des Fluges. Gegen die beteiligten BGS-Beamten fanden keine Prozesse statt.

Nach Ansicht des Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen Rhein-Main sitzen die Hauptverantwortlichen in Parlament und Ausländerbehörden. In diesem Kontext müsse die Rolle der Lufthansa gesehen werden: »Durch ihre Beteiligung an Abschiebungen macht sie sich zum willfährigen Handlanger der Abschieber.«

Deshalb gelte es, auch Protestaktionen gegen die Lufthansa zu organisieren. Die Lufthansa habe sich im letzten Jahr mehrfach mit Protesten von Menschenrechts-, Migranten- und Flüchtlingsorganisationen auseinandersetzen müssen. Immer wieder sei auch zu lesen, daß Piloten sich weigerten, Menschen gegen ihren Willen mitzunehmen. Das antirassistische Netzwerk »kein Mensch ist illegal« startete im März 2000 eine Kampagne gegen die Beteiligung der Lufthansa AG am Abschiebegeschäft. Mit Zeitungen, Plakaten und Aktionen an Flughäfen, Reisebüros sowie auch am Ausbildungszentrum im südhessischen Ort Seeheim- Jugenheim wurde die Lufthansa-»Deportation Class« thematisiert und öffentlich angegriffen. Diese Kampagne geht nun mit Veranstaltungen und Demonstrationen weiter.

Ähnliche Kampagnen haben in Belgien, Frankreich und den Niederlanden zu ersten Erfolgen geführt. Einige Fluggesellschaften lehnen die Beteiligung an gewaltsamen Transporten von Abschiebehäftlingen inzwischen ab. Am weitesten geht dabei die belgische Fluggesellschaft Sabena. Sie nimmt generell keine Zwangspassagiere mehr mit.

Paul Nagel

*** Infoveranstaltung: Dienstag 23. Mai 2000 im Dritte Welt- Haus, Falkstr. 74, Frankfurt/M.; Demonstration: Samstag, 27. Mai 2000, 12 Uhr im Lufthansa-Terminal 1, Bereich A des Rhein-Main-Flughafens, Ausstellung: 22./23. Mai, FH-Frankfurt