junge Welt, 17.05.2000

Schnell raus, schwer rein

Die Familie des Kurden Ömer Polat ist durch Abschiebebürokraten bis heute zerrissen

Im November letzten Jahres hatte der aus Südbaden abgeschobene Kurde Ömer Polat seine deutsche Freundin in der Türkei geheiratet und sich damit das Recht erworben, nach Deutschland zurückzukehren. Doch erst letzte Woche traf er in Freiburg ein. Grund für die Verzögerung: Behördenschlamperei. Im Oktober 1999 wurde der wegen drohender Abschiebung untergetauchte Kurde, der 1993 aus politischen Gründen nach Deutschland geflohen war, im Standesamt von Markdorf (Bodensee) verhaftet, als er das Eheaufgebot aufgeben wollte - entgegen einer behördlichen Zusage auf freies Geleit. Eine Unterschrift unter einem Papier hatte gefehlt. Noch am selben Tag wurde der 42jährige nach Istanbul ausgeflogen. Das Vorgehen der Behörden rief große Proteste in der Öffentlichkeit hervor. Polats Anwalt Michel Moos sprach von einer »Falle«, die seinem Mandanten gestellt worden sei.

Kommunalpolitiker und Kirchenvertreter empörten sich über den Wortbruch und die politisch gewollte Inhumanität des Freiburger Regierungspräsidiums. Zu einer Demonstration in der Freiburger Innenstadt gegen die eiskalte Abschiebepolitik versammelten sich über 500 Menschen. Ömer Polat hatte das Glück, ein Gesicht in der Öffentlichkeit bekommen zu haben. Daraufhin lenkte man im Regierungspräsdium ein. Zum einen erließ man für den zwölfjährigen Sohn Sükrü Polat, der ebenfalls auf der Fahndungsliste der Behörden stand und deswegen untergetaucht war, eine vorläufige Duldung. Zum anderen versprach man rasches Handeln, sobald die Ehe in der Türkei geschlossen würde. Dies geschah am 8. November. Daraufhin befristete die Ausländerbehörde die Wirkung der Abschiebung auf den 1. Januar 2000. Dennoch ist ein knappes halbes Jahr verstrichen, bis ein Visum zur Wiedereinreise erteilt wurde.

Noch am 5. Januar 2000 erklärte die Visaabteilung der Deutschen Botschaft in Ankara, sie könne im Computer keinen Vorgang Ömer Polat finden. Am 18. Januar trafen die Unterlagen bei den Freiburger Ausländerbehörden ein, wurden von dort jedoch in den Bodenseekreis weitergeleitet. Grund: Ömer Polat habe als künftigen Wohnsitz der Familie den bisherigen Wohnsitz seiner Ehefrau, Markdorf, angegeben, so die Behörde. Dort blieben die Papiere zehn Wochen lang liegen.

Ömer Polat bestätigte gegenüber seinem Anwalt, nicht Markdorf, sondern Freiburg als Wohnort angegeben zu haben, weil dort sein Sohn Sükrü in die Schule gehe und er dort Arbeit finden könne. Das Regierungspräsidium habe absichtlich eine Falschmeldung verbreitet, kritisierte Anwalt Moos. Obendrein spekulierten die Beamten, ob Polat und seine Frau eventuell eine Scheinehe eingegangen seien. Monatelang hätten die Behörden von Markdorf und Freiburg »die Akten hin und her geschoben«, ohne daß die Sache vorangegangen wäre. »Wir haben uns die Finger wund geschrieben«, kritisierte Moos. Das Ganze sei ein Lehrstück dafür, wie eine Bürokratie ihre Auffassung durchzusetzen versucht. »Vielleicht werden jetzt andere ermutigt, sich auch gegen Abschiebungen zu engagieren«, hofft Cornelia Andreesen vom Diakonischen Werk Freiburg.

Dennoch hat die Geschichte kein Happy-End. Ömer Polat kann zwar mit Frau und Sohn Sükrü künftig in Freiburg leben. Doch sein 18jähriger Sohn Mehmet, der noch vor dem Vater im Mai letzten Jahres abgeschoben worden war, darf nicht nach Deutschland zurückkehren. Denn das Recht auf Familienzusammenführung gilt nur für Kinder bis 16 Jahre.

Martin Höxtermann, Freiburg