junge Welt, 16.05.2000

Kriegsdienstverweigerer schwinden«

Friedensorganisationen fordern Asyl für Verweigerer und Deserteure

Während die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der BRD nach wie vor steigt, können Kriegsgegner in anderen Ländern nur von solchen Entwicklungen träumen. Aus Anlaß des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerer, der am Montag begangen wurde, wiesen antimilitaristische Organisationen gestern auf einer Pressekonferenz im Berliner Antikriegsmuseum darauf hin, daß ausländische Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik kaum Schutz finden.

Mustafa Ünalan von der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) präsentierte die deutsche Übersetzung einer Broschüre, die 1999 von türkischen Aktivisten erstellt wurde. Die Arbeit mit dem Titel »Das Militär und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei« kann in der Türkei selbst nicht erscheinen.

Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Armee und Verbrechen der Armee an der Zivilbevölkerung werden in der Broschüre zu Dutzenden aufgelistet. So wird der Fall eines Wehrpflichtigen geschildert, der sich an einem nur 1,40 Meter hohen Wasserkasten einer Toilette im Gefängnis erhängt haben soll.

Ünalan führte aus, daß türkischen Kriegsdienstverweigerern, denen in der Bundesrepublik Asyl versagt wird, bei einer Abschiebung in die Türkei massive Gefahren drohen. Nach der Abschiebung »tauchen manche unter, manche >verschwinden<«.

Emanuel Matondo, Vertreter der Angolanischen Antimilitaristischen Menschenrechtsinitiative, kritisierte die Bundesregierung, weil sie Kriegsdienstverweigerer nach Angola abschiebt, obwohl selbst der UN- Flüchtlingsbeauftragte auf die Gefahr des »Verschwindenlassens« hinweise.

Asylsuchenden Kriegsdienstverweigerern soll in Zukunft verstärkt das Rechtssystem der UNO nutzbar gemacht werden, erläuterte Andreas Speck, der im Vorstand der War Resisters International sitzt. Dazu soll ein neuer »Leitfaden für Kriegsdienstverweigerer durch das UN- Menschenrechtssystem« dienen.

Die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, 220 in Deutschland lebenden jugoslawischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren das »Kleine Asyl« zu gewähren, wurde von den Antikriegsaktivisten einhellig als unzureichend bewertet. Sämtliche Kriegsdienstverweigerer aus Kriegsgebieten müßten Asyl erhalten.

Frank Brendle