Die Presse (A), 16.5.2000

Türkei-Iran-Connection

Mord an türkischem Journalisten: Die Spur führt nach Teheran, könnte aber von den wahren Auftraggebern gelegt worden sein.

Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN

ANKARA. Die türkische Polizei scheint der Aufklärung zweier Attentate auf Journalisten nähergekommen zu sein. Türkische Medien berichteten am Montag von der Verhaftung von vier Verdächtigen im Mordfall Ahmet Taner Kislali. Indes wurde wegen des Mordes an dem Journalisten Ugur Mumcu gegen acht Verdächtige ein Haftbefehl erlassen. Der Fall sorgt für politischen Sprengstoff, denn die Spur führt nach Teheran: Zwei Verdächtige beschuldigen den Iran, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Zunächst dachte man beim Attentat auf Mumcu an Verbindungen zum Geheimdienst, der Mafia und der Terrorszene. Der Enthüllungsjournalist war allen möglichen Personen ein Dorn im Auge, denn er deckte einen Skandal nach dem anderen auf. Zu den Opfern seiner Enthüllungen gehörten die PKK, islamistische Organisationen und die rechtsextremen "Grauen Wölfe". Die Liste der potentiellen Auftraggeber war lang. Die mutmaßlichen Attentäter, denen die Polizei durch Unterlagen, die bei der Zerschlagung der türkisch-kurdischen Hisbollah gefunden wurden, auf die Spur gekommen ist, haben Beziehungen in alle diese Richtungen. Alle waren in den siebziger Jahren bei den "Grauen Wölfen". Der Hauptverdächtige Yusuf Karakusch war mehrfach im Gefängnis, einmal zwölf Jahre, weil er zwei Gewerkschafter ermordet hatte. Später wechselte er zu den militanten Islamisten. Karakusch behauptet nun, er sei im Iran zum Bombenlegen ausgebildet worden. Für den Mord hätten er und die anderen Türken 500.000 Dollar (7,5 Mill. Schilling, 545.000 Euro) aus Teheran erhalten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Iran ein Motiv hatte, Mumcu zu beseitigen. Möglicherweise - schließlich war Mumcu auch militanten Islamisten und ihren Querverbindungen auf der Spur. Trotzdem war er kein direkter Gegner des iranischen Regimes. Wenn Karakusch einen anderen Auftraggeber decken will, so wäre eine Beschuldigung des Iran der einfachste Weg dazu.