web de 15.05.2000 20:19

Israelische Regierung wegen Gebietszugeständnissen unter Druck

Knesset stimmt geplanter Übergabe von drei Ortschaften an die Palästinenser zu - Schwere Zusammenstöße im Westjordanland

Jerusalem (AP)

Das israelische Parlament hat am Montag einem Plan von Ministerpräsident Ehud Barak zur Übergabe von drei Jerusalemer Vororten an die Palästinenser zugestimmt und eine Regierungskrise damit vorerst abgewendet. Die Regierung beschloss die Übergabe zuvor gegen die Stimmen der sechs Minister der Nationalen Religionspartei (NRP), der ultraorthodoxen Schas-Partei und der Einwandererpartei Israel B'Alija. Barak setzte die Abstimmung über die Übergabe der drei Orte nach monatelangem Zögern an. Die NRP kündigte nach der Niederlage im Kabinett ihren Austritt aus der aus insgesamt sechs Parteien bestehenden Regierungskoalition an.

Bislang hatte Barak die Gebietskonzessionen von Zugeständnissen der Palästinenser bei der geforderten Übergabe anderer Orte abhängig gemacht. Vor der Knesset verteidigte Barak die geplante Übergabe der Ortschaften gegen heftige Kritik. Israel sei durch bestehende Verträge dazu verpflichtet, darüber hinaus stärke der Schritt die israelische Kontrolle über Jerusalem. Das Land müsse einen Preis für einen Friedensvertrag zahlen. Die Alternative sei «ein binationaler Staat, Apartheid und Blutvergießen», sagte Barak.

In dem von Barak als Vertrauensabstimmung bezeichneten Votum in der Knesset stimmten für die Übergabe der arabischen Orte 56, dagegen 48 Knesset-Abgeordnete. Es gab eine Enthaltung. Mehrere Abgeordnete von Schas und B'Alija nahmen an der Abstimmung nicht teil. Baraks Schritt wurde von drei Parteien der arabischen Minderheit und zwei Linksparteien unterstützt, die nicht der Koalition angehören. Dies glich die fehlende Zustimmung von Koalitionspartnern aus. Die Krise ist nach Ansicht von Beobachtern damit jedoch nicht dauerhaft überwunden. Sollte Barak bei künftigen Abstimmungen zum Friedensprozess keine Unterstützung der Opposition erhalten, muss er möglicherweise vorgezogene Neuwahlen ausrufen.

In Kabinettskreisen wurden Vermutungen laut, dass Baraks Vorgehen in Zusammenhang mit geheimen Friedensverhandlungen in Stockholm stehe. Der palästinensische Chefunterhändler Jassir Abed Rabbo, der an den Gesprächen in Stockholm nicht beteiligt ist, reichte Präsident Jassir Arafat am Montag sein Rücktrittsschreiben ein. Zur Begründung sagte er, Israel versuche, mit den Geheimgesprächen einen Keil zwischen die Palästinenser zu treiben.

Schwere Feuergefechte zwischen israelischen Soldaten und palästinensischen Polizisten forderten unterdessen im Westjordanland mindestens drei Todesopfer und mehr als 320 Verletzte. Bei den Zusammenstößen im Westjordanland und dem Gazastreifen wurden am 52. Jahrestag der israelischen Staatsgründung nach palästinensischen Angaben mindestens 320 Palästinenser verletzt. 14 israelische Soldaten wurden ebenfalls verletzt.

In Ramallah schleuderten rund 400 palästinensische Demonstranten Steine auf israelische Soldaten, die ihrerseits zunächst Gummigeschosse und Tränengas einsetzten. Später setzten Soldaten und palästinensische Polizisten, die sich unter die Demonstranten mischten, auch scharfe Munition ein. Auch in Nablus, Hebron, Dschenin und Bethlehem kam es am Montag wieder zu Zusammenstößen. Am Sonntag waren bei Straßenschlachten ein Palästinenser getötet und 38 weitere verletzt worden. Die Demonstranten fordern die Freilassung Hunderter Gefangener aus israelischer Haft.