web de 15.05.2000 12:25

Israel stimmt Gebietskonzessionen an Palästinenser zu

Koalitionsstreit über Vorschlag Baraks - Generalstreik in Autonomiegebieten - Freilassung von Gefangenen gefordert

Jerusalem (AP)

Die israelische Regierung hat am Montag überraschend der Übergabe zweier Jerusalemer Vororte an die Palästinenser zugestimmt und damit ein wichtiges Hindernis im Friedensprozess aus dem Weg geräumt. 15 Minister sprachen sich für einen entsprechenden Vorschlag von Ministerpräsident Ehud Barak aus, sechs stimmten dagegen. Barak setzte die Abstimmung über die Übergabe der beiden Orte Abu Dis und Issarieh nach monatelangem Zögern unerwartet an. Bislang hatte er die Gebietskonzessionen von Zugeständnissen der Palästinenser bei der geforderten Übergabe anderer Orte abhängig gemacht.

In Kabinettskreisen wurden Vermutungen laut, dass Baraks Vorgehen in Zusammenhang mit geheimen Friedensverhandlungen in Stockholm stehe. Gegen den Vorschlag des Ministerpräsidenten stimmten die sechs Minister der Nationalen Religionspartei (NRP), der ultraorthodoxen Schas-Partei und der Einwandererpartei Israel B'Alija. Der NRP kündigte nach der Abstimmungsniederlage ihren Austritt aus der aus insgesamt sechs Parteien bestehenden Regierungskoalition an. Die Erklärung löste Spekulationen über einen möglichen Zerfall des Bündnisses aus.

Im Westjordanland und im Gazastreifen demonstrierten die Palästinenser indes mit einem Generalstreik für die Freilassung hunderter Gefangener aus israelischer Haft. In Hebron und an mehreren weiteren Orten kam es wieder zu Zusammenstößen. Israelische Soldaten feuerten mit Gummigeschossen auf die Demonstranten, die Steine und Brandbomben warfen. Am Sonntag waren bei Kämpfen ein Palästinenser getötet und 38 weitere verletzt worden.

Der palästinensische Geheimdienst nahm nach Angaben aus Sicherheitskreisen den Hamas-Führer Mohammed Deif fest, der von Israel wegen mehrerer Terroranschläge gesucht wird. Der israelische Armeerundfunk meldete, Deif sei vor einigen Tagen im Gazastreifen vom Chef des Geheimdienstes, Mohammed Dahlan, festgenommen worden. Deifs Vorgänger Jehija Ajasch, der als «Ingenieur» bekannte Bombenbauer der Untergrundorganisation Hamas, kam 1996 bei einem Sprengstoffanschlag ums Leben. Hamas macht den Geheimdienst Schin Bet dafür verantwortlich. Israel hat wiederholt die Festnahme und Auslieferung Deifs gefordert. Die Regierung macht ihn für eine Serie von Selbstmordanschlägen palästinensischer Extremisten verantwortlich, denen 47 Israelis zum Opfer fielen.