junge Welt, 15.05.2000

Interview

Bleiben Migrantinnen von Frauenbewegung unbeachtet?

jW sprach mit Debjani Das. Die Inderin lebt mit Unterbrechung seit 1989 in Bremen

(Sie engagiert sich im Internationalen Menschenrechtsverein in Bremen und in der »Flüchtlingskarawane«)

F: Welche spezifischen Probleme haben Frauen, wenn sie als Asylbewerberinnen hierher kommen?

Weltweit werden Frauen Gewalt ausgesetzt. Sie werden zwangsverheiratet, zwangsverschleiert oder beschnitten. Sie leben mit gewalttätigen Partnern, werden zur Prostitution gezwungen, mit ihnen wird gehandelt und sie werden als Kriegsbeute vergewaltigt. Wenn es eine Frau schafft, davor zu fliehen und hierher zu kommen, werden ihre Gewalterfahrungen nicht als Asylgrund anerkannt. In den Verfahren werden die von ihr angeführten Gründe bagatellisiert. In den Flüchtlingsunterkünften gibt es keinen Lebensraum für Frauen, sie können häufig ihre Zimmer nicht abschließen und müssen mit vielen Männern das Badezimmer teilen. Das ist dann für sie wie bei »big brother«, nur daß sie diesen Zustand nicht freiwillig gewollt haben. Viele der Frauen kommen aus einem anderen Kulturkreis und haben ein völlig anderes Schamgefühl.

F: Organisieren sich diese Frauen, oder werden sie von politischen Gruppierungen erreicht?

Das ist ein Manko in der Flüchtlingsarbeit. Meines Erachtens ist das eine wesentliche Aufgabe für die Frauenbewegung in diesem Land. Wir müssen Strategien für eine langfristige Zusammenarbeit mit Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen entwickeln. Wir müssen zu den Frauen in die Unterkünfte gehen. Dabei müssen wir die Frauen, ihre Lebensvorstellungen und ihre Realität akzeptieren. Der Grundsatz feministischer Vorstellungen ist für mich, das Private ist politisch. Und die vorbehaltlose Solidarität unter Frauen. Kern feministischer Politik ist für mich der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Und da müßte unsere feministische Solidarität doch zunächst den am stärksten entrechteten und marginalisierten Frauen gelten. Ohne jedes Wenn und Aber.

Für die Vertreterinnen der Frauenorganisationen war es wichtig, auf dem Kongreß der Karawane Ende April in Jena als feministische Organisationen wahrgenommen und anerkannt zu werden. Die Tamilinnen und die Kurdinnen haben über die Entstehung ihrer Frauenorganisationen innerhalb der Befreiungsbewegungen berichtet. Sie haben die Veränderung der sozialen Verhältnisse beschrieben, der Beziehungen zwischen den Geschlechtern, der Machtstrukturen. Die Kurdinnen sagten, daß es für sie leichter sei, in Kurdistan zu arbeiten als hier in der BRD. Das PKK-Verbot wurde von ihnen nicht explizit benannt, aber es war klar, daß sie das meinten. Da ist mir zum ersten Mal bewußt geworden, daß die Aufhebung des PKK-Verbotes auch eine feministische Forderung ist.

F: Werden dem Kongreß auch praktische Schritte folgen?

Es waren iranische Frauen in Jena. Sie haben mit der Mär von der reformfreundlichen neuen Regierung im Iran aufgeräumt. Sie sagten, die Bundesregierung würde solche Gerüchte verbreiten, um künftig hemmungslos in den Iran abschieben zu können. Beleg dafür, daß die neue Regierung nicht fortschrittlicher ist als die alte, sei, daß sie nach wie vor auf der Verschleierung von Frauen auf Paßfotos bestehen würde. Mit solchen Maßnahmen wie den Retuschierungen der Paßfotos, wie sie beispielsweise in Bremen praktiziert worden seien, würden Massenabschiebungen vorbereitet. In einem Land, in dem es Lehrerinnen verboten ist, Kopftücher in den Schulen zu tragen, weil das als Verletzung der Menschenrechte der Betrachtenden gewertet wird, in einem solchen Land werden per Computer Paßfotos nachträglich mit Schleiern versehen, um Frauen in den Iran abschieben zu können. Wir haben uns in der Arbeitsgruppe, in der ich auf dem Kongreß gearbeitet habe, auf die Forderung, keine Frauen in den Iran abzuschieben, geeinigt. Zu diesem Schwerpunkt werden wir jetzt verstärkt arbeiten.

Interview: Birgit Gärtner