junge Welt, 12.05.2000

Effektiver Terror gegen Zivilisten

Magazin Newsweek deckt NATO-Lügen über Treffer im Jugoslawien-Krieg auf

Der amerikanische Militärhistoriker John Keegan hatte bereits einen »Wendepunkt in der Geschichte des Krieges« ausgemacht. Kriege würden in Zukunft »allein von der Luftwaffe gewonnen«, ohne eigene Verluste. »Das serbische Militär im Kosovo haben wir zerschlagen. Wir haben mehr als 50 Prozent der Artillerie und ein Drittel der gepanzerten Fahrzeuge zerstört«, prahlte US-Verteidigungsminister Cohen. Sein Generalstabschef Shelton präsentierte während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien im vergangenen Jahr anhand bunter Graphiken der internationalen Presse den angeblichen Zerstörungserfolg: »etwa 120 Panzer, 220 Schützenpanzer und bis zu 450 Geschütze«.

Tatsächlich aber waren die NATO-Luftschläge gegen das serbische Militär »total ineffizient«. Das behauptet zumindest das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek in seiner jüngsten Ausgabe. Dabei beruft sich Newsweek auf einen gemeinsamen Untersuchungsbericht der US-Air-Force und der NATO. Eine Gruppe von 30 Experten war Monate lang per Hubschrauber, im Geländewagen und zu Fuß unterwegs, um die Behauptung der Piloten von angeblich zerstörten serbischen Großwaffen zu überprüfen. Inzwischen hat das Verteidigungsministerium eine Pressekonferenz einberufen und erklärt, Newsweek habe den Bericht falsch verstanden. Am liebsten hätte das Pentagon die Existenz des entlarvenden Berichtes ganz abgestritten. Doch Newsweek ist im Besitz einer Kopie.

Die NATO habe mit ihren Bomben und Raketen im Kosovo Felder umgepflügt, zivile Autos und Lastwagen beschossen und Attrappen vernichtet, so das US-Magazin. Die schweren Waffen der jugoslawischen Armee seien indes weitgehend unangetastet geblieben. Das Ergebnis der Feindschadenseinschätzung war niederschmetternd. Folgt man dem Abschlußbericht der Experten, dann wurden tatsächlich nur 14 Panzer statt 120 zerstört, nur 18 Schützenpanzer statt 220 und nur 20 Geschütze statt 450. Diese Zahlen entsprechen den offiziellen jugoslawischen Angaben über eigene Verluste, die bisher stets als Propaganda abgetan worden waren. Nicht Belgrad, sondern die NATO hat demnach die ganze Zeit gelogen.

Für Newsweek sind die »chirurgisch genauen Schläge eine Legende«. Das vernichtende Urteil des Magazins: »Im Kosovo war die (NATO-)Luftstreitmacht nicht gegen militärische Ziele effektiv, sondern nur gegen zivile. Aber die für die Planung verantwortlichen (NATO-)Militärs sprechen nicht gerne von Terror-Bombardements gegen Zivilisten.« Die eigentliche »Lehre aus dem Kosovo« sei, daß »nur die Bombardierung ziviler Ziele effektiv ist«.

»Was die serbische Regierung dazu verleitet hat, den Kampf aufzugeben, waren nicht die NATO-Angriffe auf ihre Streitkräfte im Kosovo, sondern die Bombardierung strategischer Ziele in Serbien - die Zerstörung des Elektrizitätsnetzes in Belgrad und verschiedener Industriebetriebe«, folgert auch William Pfaff in der International Herald Tribune, der in seinen bisherigen Artikeln die humanitären NATO-Krieger stets resolut verteidigte.

Die absichtliche Bombardierung ziviler Ziele stellt nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen dar. Doch das Haager Kriegverbrechertribunal weigert sich bisher, gegen die verantwortlichen NATO-Militärs zu ermitteln.

Rainer Rupp