Berliner Zeitung, 12.5.2000

"Der Reformprozess in Iran ist nicht aufzuhalten"

Drei Teilnehmer der Berliner Konferenz zur aktuellen Lage

Martina Doering

BERLIN, 11. Mai. In Iran sollen derzeit zwei Videos mit Aufnahmen kursieren, die das staatliche Fernsehen bei der Iran-Konferenz Anfang April in Berlin gemacht hat. Eine Kurz-Version stammt vom staatlichen TV, das von Konservativen beherrscht wird: Exil-Oppositionelle stören die Konferenz, indem sie schreiend und entblößt im Saal herumtanzen. Es folgt ein Schnitt: Hojatoleslam Eshkevari klatscht. Dass sein Beifall etwas ganz Anderem galt, wird unterschlagen. Die andere Video-Version wird von Studenten verteilt, dauert sechs Stunden und zeigt die Veranstaltung in ihrem Kontext.

Die turbulente Konferenz zum Reformprozess in Iran hatten die Konservativen zum Vorwand genommen, um liberale Zeitungen zu schließen, Journalisten und andere politisch engagierte Menschen zu verhaften und gegen die iranischen Gäste der Tagung vorzugehen.

Drei dieser Gäste - Hojatoleslam Eshkevari, Kazem Kardavani und Tschangiz Pahlavan - informierten gestern in Berlin die Presse. Vier der nach Teheran zurückgereisten Referenten sind im Gefängnis. Die anderen sind vernommen worden und gegen Kaution vorerst frei. Einer der Teilnehmer hält sich noch in den USA auf. Gegen Eshkevari und Kardavani liegt ein Haftbefehl vor. Sie würden gleich am Flughafen festgenommen werden. Trotzdem wollen alle drei zurückkehren.

Hätte die Konferenz zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden, wäre die Reaktion nicht so massiv gewesen. Doch die Konservativen hatten bei den Parlamentswahlen im Februar eine schockierende Niederlage hinnehmen müssen. Mit den Reaktionen auf die Konferenz sowie ihrem Vorgehen gegen Zeitungen und Reformkräfte hätten sie das Ergebnis korrigieren und Einfluss auf den zweiten Wahlgang am 5. Mai nehmen wollen. Die Reformer haben ihre Mehrheit jedoch noch ausbauen können.

Unterschiedliche Ansichten

Zur Entwicklung in Iran haben die drei Iraner differierende Ansichten. Eshkevari glaubt, dass der Wächterrat die Wahlergebnisse nicht mehr annullieren werde. Nach der Konstituierung des Parlaments Ende Mai müssten die Reformer aber ein Konzept vorlegen. Sonst könnten sie die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen. Der Reformprozess jedoch sei nicht aufzuhalten. Kardavani ist pessimistischer. Solange wichtige Ministerien von den Konservativen beherrscht würden, bleibe die Lage explosiv. Reformen seien erst möglich, wenn die Verfassung geändert würde.