Frankfurter Rundschau, 10.5.2000

Frankfurt
Ebeling und Sikorski üben scharfe Kritik an Innenminister Schily

Identität der Asylbewerberin ist aber noch nicht geklärt / Polizei hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet

Nach dem Selbstmord einer Asylbewerberin in der Flüchtlingsunterkunft des Flughafens haben die Grünen erneut die Abschaffung des Flughafenverfahrens gefordert. Die Identität der Frau ist der Staatsanwaltschaft zufolge unklar. Sie hatte offenbar falsche Personalien angegeben.

Jutta Ebeling, Stadträtin und OB-Kandidatin der Grünen, hat in einem offenen Brief Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aufgefordert, das Flughafenverfahren abzuschaffen. Ebeling schlug vor, Asylbewerber zum Zweck des Verfahrens einreisen zu lassen und in der Flüchtlingsunterkunft in Schwalbach unterzubringen. Dies würde dazu führen, "dass Asylsuchende ihr Verfahren unter Bedingungen abwarten könnten, die nicht zwingend Panikattacken und Haftkoller hervorrufen".

Ebeling warf Schily zudem Untätigkeit vor. Seit seinem Besuch in der Asylunterkunft im Jahr 1998 sei nichts geschehen. Das Ministerium habe ihr Ende vergangenen Jahres nur mitgeteilt, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei, "deren Aufgabe es ist, eine neue Unterkunft für Asylbewerber im Flughafenasylverfahren zu schaffen". Ebelings Kritik: "Die monatelange Einsperrung von unbescholtenen Menschen hinter Nato-Draht wird sich nicht ändern." Lutz Sikorski, Fraktionschef der Grünen im Römer, bezeichnete das Flughafenverfahren als inhuman und rechtsstaatlich fragwürdig. Innenminister Schily stehe aber seinem Amtsvorgänger Kanther in dieser Frage in nichts nach. "Wie lange will der Bundesinnenminister denn noch prüfen?", fragte Sikorski.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist die Identität der Asylbewerberin unklar. Fest stehe, dass die Frau "nicht die sei, für die sie sich ausgegeben hat", sagte Behördensprecher Hellmut Koller. Name und Staatsangehörigkeit müssten noch geklärt werden. Caritas und Evangelischer Regionalverband, die die Flughafen-Unterkunft betreuen, hatte am Montag erklärt, es handele sich um die 40-jährige Algerierin Naimah H. Die Staatsanwaltschaft hat eine Obduktion der Leiche angeordnet. Laut Polizei ist ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden. Anzeichen für ein Fremdverschulden gebe es nicht.

Die Frau war am Samstagabend erhängt in einer Dusche der Flughafen-Unterkunft aufgefunden worden. Ihr Asylantrag war im September abgelehnt worden. Seitdem bereiteten die Behörden ihre Abschiebung vor. vo