Stuttgarter Zeitung, 10.5.2000

Morden Irans Schergen in der Türkei?

Ankara vermutet die Drahtzieher des Attentates auf einen türkischen Journalisten in Teheran

Die türkische Polizei hat sieben Männer festgenommen. Sie sollen im Auftrag des Iran vor sieben Jahren den Enthüllungsjournalisten Ugur Mumcu mit einer Autobombe ermordet haben.

Von Jan Keetman, Istanbul

Sieben Jahre fahndete die Polizei nach den Mördern des bekannten türkischen Journalisten Ugur Mumcu. Nun scheint des Rätsels Lösung gefunden. In den vergangenen Tagen wurden sieben Verdächtige festgenommen. Doch die Verhaftungen bergen auch allerhand politischen Sprengstoff. Denn zwei der Hauptbeschuldigten, die als Kronzeugen fungieren wollen, beschuldigen die Machthaber im Iran, Auftraggeber des Mordes gewesen zu sein.

Die Geschichte liest sich wie ein Kriminalthriller mit politischen Intrigen, Mafia-Kontakten, einer Autobombe, üblen Verdächtigungen und vielen Gerüchten. Da ist zunächst der Enthüllungsjournalist Ugur Mumcu, der allen möglichen Gegnern ein Dorn im Auge sein konnte. Fleißig sammelt er Material und deckt einen Skandal nach dem anderen auf. Er recherchierte Geschichten über die PKK, islamistische Organisationen und die vor allem in den siebziger Jahren als Feinde der Linken aufgetretenen ¸¸Grauen Wölfe''. Zu Mumcus Meisterleistungen gehörte sein Anteil an der Aufklärung des Attentates auf Papst Johannes PaulII. im Jahr 1980.

Die Liste der potenziellen Auftraggeber, war also lang. Die sieben nun festgenommenen mutmaßlichen Attentäter waren in den siebziger Jahren alle bei den ¸¸Grauen Wölfen''. Yusuf Karakusch, dessen auf dunklen Kanälen an die Öffentlichkeit gelangten Aussagen im Moment die Hauptquelle sind, aus der türkische Zeitungen schöpfen, war bereits mehrfach im Gefängnis. Einmal zwölf Jahre, weil er zwei Gewerkschafter ermordet hat. Später wechselte er zu den militanten Islamisten. Zwei seiner Mitbeschuldigten sollen von den Russen in Tschetschenien als angebliche CIA-Agenten aufgegriffen und dann nach Verhandlungen mit dem türkischen Außenministerium wieder freigelassen worden sein.

Yusuf Karakusch behauptet nun, er sei im Iran unter anderem zum Bombenlegen ausgebildet worden. Für den Mord hätten er und die anderen Männer 500000 Dollar aus dem Iran erhalten. Auch die Materialien zum Herstellen der Bombe seien ihnen von den Iranern übergeben worden. Die Bombe hätten schließlich drei Iraner an dem Auto von Mumcu angebracht.

So weit die Aussagen von Karakusch, für die er auf Strafmilderung hofft. Die andere Frage ist, ob der iranische Geheimdienst ein Motiv hatte, Ugur Mumcu zu beseitigen. Das gilt als möglich, schließlich war Mumcu als Enthüllungsjournalist auch immer wieder militanten Islamisten in der Türkei und ihren möglichen Querverbindungen in den Iran auf der Spur. Trotzdem war Mumcu nicht ein unmittelbarer Gegner des iranischen Regimes, und wenn Karakusch einen anderen Auftraggeber für den Mordfall decken wollte, so wäre eine Anschuldigung an die Adresse Irans der einfachste Weg dazu.