taz Hamburg Nr. 6137 vom 9.5.2000 Seite 21

Reden und arbeiten

Keine Geiselnahme: Kurden-Prozess um SPD-Besetzung mit milden Urteilen

Der Prozess war bis Oktober terminiert, doch schon gestern zog das Landgericht Hamburg im Verfahren um die Besetzung der SPD-Zentrale am 17. Februar 1999 einen sauberen Schlussstrich: Acht KurdInnen zwischen 16 und 21 Jahren wurden der Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und des Hausfriedensbruchs für schuldig gesprochen. Das Gericht sah aber ausdrücklich von Jugendstrafen ab, da man, so der Vorsitzende Egbert Walk, "bei keinem der Angeklagten eine schädliche Neigung feststellen kann".

Ursprünglich war den zehn Jugendlichen auch die "Geiselnahme" des SPD-Kreisgeschäftsführers Dirk Sielmann zur Last gelegt worden. "Eine Geiselnahme, von der in der Presse die Rede war, kann nicht festgestellt werden", so Walk. Fakt sei nur, dass alle Angeklagten - was sie zugeben - an der Besetzung der SPD-Zentrale teilgenommen haben, um gegen die Verhaftung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan zu protestieren. Dabei hatten sie Sielmann gegen seinen Willen festgehalten und in den SPD-Räumen Sachschäden angerichtet. Um den seelischen Schaden wieder gutzumachen, sollen sie als "Täter-Opfer-Ausgleich" ein Gespräch mit Sielmann führen und einen kleinen finanziellen Ausgleich durch Arbeitsauflagen leisten.

Mit dem Richterspruch kamen die zehn Jugendlichen wesentlich glimpflicher davon als zwei erwachsene Mitstreiter. Diese hatten im September 1999 aus Angst vor hohen Strafen vor dem Prozess mit dem Gericht einen Deal ausgehandelt und für zwei Jahre neun Monate Haft sowie ein Jahr neun Monate auf Bewährung die Vorwürfe Geiselnahme und Landfriedensbruch akzeptiert. Kai von Appen