web.de, 06.05.2000 16:01

Reformer um Präsident Chatami gewinnen Stichwahl in Iran

Neuer Rückschlag für die radikalislamischen Kräfte - Wächterrat muss Ergebnisse noch bestätigen

Teheran (AP)

Die Reformer in Iran haben bei der Stichwahl für das iranische Parlament einen weiteren Sieg errungen. Die größte reformistische Partei, die Islamisch-Iranische Beteiligungsfront, erklärte am Samstag, Reformkandidaten hätten 52 der 66 zur Wahl stehenden Sitze gewonnen. Das staatliche Radio Teheran berichtete, die Auszählung aller Stimmen sei beendet. Es verlas die Namen der Gewinner, gab jedoch keine Parteizugehörigkeit an. Der von Hardlinern dominierte Wächterrat muss die Ergebnisse noch bestätigen. Wenn dies geschieht, kontrollieren die Reformer ab dem 27. Mai erstmals seit der Islamischen Revolution 1979 das Parlament.

Das Ergebnis ist nach der Niederlage bei der ersten Runde der Parlamentswahl im Februar ein weiterer Rückschlag für die radikalislamischen Kräfte in Iran. Damals hatten die Reformer um Präsident Mohammed Chatami eine absolute Mehrheit der insgesamt 290 Sitze in der Medschlis errungen. In der Zwischenzeit annullierte der Wächterrat jedoch zwölf Wahlsiege von Verbündeten Chatamis und erkannte einige Ergebnisse noch nicht an, so dass sie derzeit nur über 120 Sitze verfügen.

Ein Sprecher der Beteiligungsfront, Mohsen Pirsadeh, erklärte, die Reformer hätten 80 Prozent der Stimmen erhalten. Zehn Sitze gingen an radikalislamische, vier an unabhängige Kandidaten. Der Vorsitzende der Partei, Mohammedresa Chatami, der Bruder des Präsidenten, bezeichnete das Ergebnis als eine klare Botschaft an die Menschen, die in den vergangenen Monaten versucht hätten, die Regierung mit illegalen Mitteln zu schlagen. Er hoffe, dass jeder sich nun dem Wille des Volkes beuge.

Der Termin für weitere Nachwahlen in Bezirken, deren Ergebnisse annulliert wurden, ist noch nicht bekannt. Auch in der Hauptstadt Teheran wurde am Freitag nicht gewählt. Der Wächterrat hatte angedeutet, dass es in der Stadt, wo die Reformer in der ersten Runde 29 von 30 Sitzen gewannen, Wahlbetrug gegeben habe. Eine Entscheidung darüber traf er aber noch nicht. Die von Hardlinern dominierte Justiz schloss in den vergangenen Wochen 16 reformorientierte Zeitungen und ließ liberale Aktivisten festnehmen.