Frankfurter Rundschau, 6.5.2000

Parlament stimmt für Sezer

Verfassungsrichter wird neuer türkischer Präsident

Von Gerd Höhler

Im dritten Anlauf hat das türkische Parlament am Freitag ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Unmittelbar vor der Wahl des als reformfreundlich geltenden Verfassungsrichters Ahmet Necdet Sezer ließen die Behörden demonstrativ mehrere Zeitungen und Zeitschriften verbieten.

ATHEN, 5. Mai. Die Nationalversammlung in Ankara wählte den 58-jährigen Juristen, der seit 1998 Präsident des Verfassungsgerichts war, zum Nachfolger des bisherigen Staatsoberhauptes Süleyman Demirel. Dessen siebenjährige Amtszeit läuft am 16. Mai aus. Der von den Vorsitzenden aller fünf Parlamentsparteien gemeinsam nominierte Sezer erhielt im dritten Wahlgang 330 Stimmen und übertraf damit klar die erforderliche absolute Mehrheit von 276 Stimmen. Der parteilose Zivilrechtler Sezer gilt als konservativ, hat sich aber in der Vergangenheit mehrfach für Reformen ausgesprochen. Er trat unter anderem für eine größere Achtung der Menschenrechte und mehr Meinungsfreiheit ein. Sezer sprach sich auch indirekt für eine Aufhebung der kurdischen Sprachverbote aus und forderte eine Überarbeitung der 1982 noch von den damals regierenden Militärs konzipierten Verfassung.

Kurz vor der Wahl des für mehr Meinungsfreiheit eintretenden Präsidenten meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu das Verbot von vier Tageszeitungen und acht Zeitschriften. Die pro-kurdischen und linksgerichteten Publikationen erschienen in den Südostprovinzen. Das Verbot interpretieren Beobachter als Zeichen an Sezer, der in nationalistischen Kreisen als zu liberal gilt. Bericht Seite 3

Soldaten töten Rebellen

DIYARBAKIR (ap). Türkische Soldaten haben nach offiziellen Angaben im Südosten des Landes sieben kurdische Rebellen getötet. Die Zusammenstöße hätten sich nahe der Stadt Dicle in der Provinz Diyarbakir ereignet.