Frankfurter Rundschau, 5.5.2000

BRIEFE GEGEN DAS VERGESSEN

Tag für Tag werden Menschen gefoltert, wegen ihrer Ansichten, Hautfarbe oder Herkunft inhaftiert, ermordet oder verschleppt. Um solchen Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken, veröffentlicht die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International jeden Monat Einzelschicksale politischer Verfolgung, um an das alltägliche Unrecht zu erinnern. Sie können mit Ihrem persönlichen Engagement dazu beitragen, dass Folter gestoppt, ein Todesurteil umgewandelt oder ein Mensch aus politischer Haft entlassen wird. Schreiben Sie bitte im Interesse der Betroffenen höflich formulierte Briefe.

Nepal

Bishnu Pukar Shrestha

Der Lehrer und Menschenrechtler Bishnu Pukar Shrestha "verschwand" am 2. September 1999. Er stieg gerade in Satumangal im Südwesten von Katmandu aus einem Bus, als ihn sechs in Zivil gekleidete Männer ergriffen und in einen Jeep zwängten. Passanten rief er zu: "Ich heiße Bishnu Pukar Shrestha, bitte melden Sie es der Polizei."

Die Augenzeugen wandten sich daraufhin an die örtliche Polizei, ohne dass diese etwas in der Sache unternahm. Als sich die Angehörigen von Bishnu Pukar Shrestha in der Polizeizentrale nach ihm erkundigten, bestritt man dort, den Lehrer in Gewahrsam genommen zu haben. Bei Amnesty International eingegangene Meldungen deuten darauf hin, dass Bishnu Pukar Shrestha in der Abteilung der Streitkräfte im Polizeiausbildungszentrum Maharajgunj, das als inoffizielle Haftanstalt dient, festgehalten wird. Er ist in Gefahr, gefoltert oder getötet zu werden. Die Behörden bestreiten nach wie vor, etwas über seinen Aufenthaltsort zu wissen.

Bishnu Pukar Shrestha ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist Mitglied des Zentralkomitees des "People's Rights Concern Movement", einer nepalesischen Menschenrechtsorganisation, und hat wiederholt die immer häufiger zu beobachtende Praxis des "Verschwindenlassens" öffentlich kritisiert. Der Lehrer war bereits 1998 inhaftiert worden, nachdem er auf einem Seminar vor Studenten gesprochen hatte. Erst auf Anordnung des Obersten Gerichtshofes wurde Bishnu Pukar Shrestha damals nach 63 Tagen aus dem Zentralgefängnis entlassen. Zum zweiten Mal nahm man ihn im April 1999 auf der Versammlung einer Organisation fest, die Sprachenrechte für Minderheiten fordert. Erst nach 43 Tagen kam er frei.

Schreiben Sie bitte höflich formulierte Briefe an den nepalesischen Ministerpräsidenten, in denen Sie sich um die Sicherheit von Bishnu Pukar Shrestha besorgt zeigen und verlangen, dass sein Verbleib ermittelt und öffentlich bekannt gegeben wird. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch an:

RT Hon Prime Minister G. P. Koirala, Office of the Prime Minister, Singha Durbar, Kathmandu, NEPAL, Telefax: 00 977 - 1-227 286 oder 00 977 - 1-428 570 (korrekte Anrede: Dear Prime Minister).

Kopie bitte an: Kanzlei der Botschaft des Königreichs Nepal, S. E. Herrn Balaram Singh Malla, Im Hag 15, 53179 Bonn, Telefax: 02 28 / 85 67 47.

Usbekistan

Arsen Albertowitsch Arutjunjan, Danis Wladimirowitsch Siraschew

Arsen Albertowitsch Arutjunjan (englische Transkription: Arsen Albertovich Arutyunyan) und Danis Wladimirowitsch Siraschew (Danis Vladimirovich Sirazhev), zwei in Usbekistan bekannte Sänger der Popgruppe "Al-Vakil" (ai-Bild) wurden am 3. Juni 1999 in der usbekischen Hauptstadt Taschkent festgenommen. Ihnen wird zur Last gelegt, im April 1998 die ebenfalls bekannte usbekische Sängerin Lailo Alijewa (Laylo Aliyeva) ermordet zu haben. Am 3. November 1999 wurden sie vom Stadtgericht der Hauptstadt Taschkent wegen Mordes unter besonders schlimmen Umständen zum Tode verurteilt. Ihre Rechtsmittel wurden bereits vom Obersten Gerichtshof im Dezember vergangenen Jahres zurückgewiesen.

Zwar haben beide gestanden, Lailo Alijewa getötet zu haben, aber Arsen Arutjunjan gab später an, zu dem Geständnis gezwungen worden zu sein. Berichten zufolge wurden sie nach ihrer Festnahme zwei Wochen lang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten.

Als man ihnen schließlich die Konsultation mit einem Rechtsanwalt ermöglichte, durften sie nicht unter vier Augen mit ihm sprechen. Wie es heißt, wurde Arsen Arutjunjans Familie mehrmals bedroht, und seine Schwester entkam nur knapp einem Mordanschlag. Daraufhin sind einige Familienmitglieder ins Ausland geflohen.

Trotz offizieller Zusagen, Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe einzuleiten, wird diese in Usbekistan nach wie vor angewandt. Hinzu kommt, dass eine beträchtliche Anzahl der zum Tode verurteilten Personen angegeben haben, in Untersuchungshaft gefoltert worden zu sein.

Schreiben Sie bitte höflich formulierte Briefe an den usbekischen Präsidenten, in denen Sie ihn auffordern, von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch zu machen und die gegen Arsen Albertowitsch Arutjunjan und Danis Wladimirowitsch Siraschew verhängten Todesurteile umzuwandeln. Zeigen Sie sich besorgt darüber, dass die Geständnisse der beiden Angeklagten möglicherweise unter Folter erpresst wurden. Legen Sie dar, dass sie die Todesstrafe vorbehaltlos ablehnen, und fordern Sie deshalb ein umgehendes Hinrichtungsmoratorium und die baldige Abschaffung der Todesstrafe in Usbekistan. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch an:

Islam Abduganievich Karimov, 700163 g. Tashkent, ul. Uzbekistanskaya, 43, Rezidentsiya Prezidenta, Prezidentu Karimovu, USBEKISTAN, Telefax: 00 998 - 71-139 5315, E-Mail: uzinfo@uzinfo.gov. uz (korrekte Anrede: Dear President).

Bitte senden Sie eine Kopie Ihres Schreibens an: Kanzlei der Botschaft der Republik Usbekistan, S. E. Herrn Vladimir Imamowitsch, Norov, Deutschherrenstr. 7, 53177 Bonn, Telefax: 02 28 / 9 53 57 99.

Syrien

Khadija Yahya Bukhari

Nachdem die libanesische Sängerin Khadija Yahya Bukhari erfahren hatte, dass ihr Sohn und ihre Tochter auf dem Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut von syrischen Sicherheitskräften festgenommen worden waren, fuhr sie am 28. April 1992 dorthin und wurde ebenfalls inhaftiert.

Alle drei wurden zur Zentrale des syrischen Geheimdienstes in Beirut gebracht. Später wurden sie mehrmals von einem Haftort in einen anderen und schließlich nach Syrien verlegt. Während die Kinder im selben Jahr wieder freikamen, ist der Verbleib und das Schicksal von Khadija Yahya Bukhari acht Jahre später immer noch ungeklärt. Berichten zufolge soll sie vor ein Militärgericht gestellt worden sein, aber Amnesty International liegen keine Informationen über das Verfahren oder ein etwaiges Gerichtsurteil vor. Wie es außerdem heißt, soll Khadija Yahya Bukhari gefoltert worden sein und ihre Gesundheit sehr gelitten haben.

Khadija Yahya Bukhari und ihr Ehemann wurden offenbar der "Kollabora-

tion" mit Israel verdächtigt. Auf Grund eines Abkommens zwischen Damaskus und Beirut sind die syrischen Streit- und Sicherheitskräfte permanent in Libanon präsent. Sie sind für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, darunter für die Inhaftierung und Verschleppung libanesischer Staatsbürger, die der Zusammenarbeit mit Israel oder der Kontakte zu politischen oder bewaffneten Oppositionsgruppen Syriens beschuldigt werden.

Schreiben Sie bitte höflich formulierte Briefe an den syrischen Präsidenten, in denen Sie eine Untersuchung des "Verschwindens" von Frau Khadija Yahya Bukhari fordern und Informationen über ihren Aufenthaltsort erfragen. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch an:

His Excellency, President Hafez al-Assad, Presidential Palace, Abu Rumanah, al-Rashid Street, Damascus, SYRIEN, elefax: 00 963 - 11-224 5747 (Außeninisterium), (korrekte Anrede: Your Excellency).

Kopie bitte an: Kanzlei der Botschaft der Arabischen Republik Syrien, Herrn Mohamed Walid Hezbor, Gesandter und Geschäftsträger, Andreas-Hermes-Str. 5, 53175 Bonn, Fax: 02 28 / 8 19 92 99, oder an die Außenstelle der Botschaft der Arabischen Republik Syrien, Mauerstraße 83 - 84, 10117 Berlin, Telefax: 0 30 / 22 67 99 63.