Stuttgarter Zeitung, 4.5.2000

PKK hält die Polizei in Atem

Innenminister legt Jahresbilanz über politisch motivierte Straftaten vor

Stuttgart - Anhänger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK haben 1999 zahlreiche Straftaten in Baden-Württemberg verübt. Das geht aus der Kriminalstatistik über politisch motivierte Straftaten hervor, die Innenminister Thomas Schäuble (CDU) am Mittwoch in Stuttgart vorgestellt hat.

VON FRANK KRAUSE

Demnach stieg die Zahl der politisch motivierten Straftaten durch Ausländer im Vorjahr um 130 auf 471 Delikte. Die Zunahme war sowohl bei den Brandstiftungen (plus 23 Fälle) als auch bei den Körperverletzungen (plus 7) und Sachbeschädigungen (plus 15) in erster Linie auf die Ausschreitungen gewalttätiger PKK-Aktivisten im Zusammenhang mit der Festnahme von PKK-Chef Öcalan im Februar 1999 zurückzuführen. Die Fahnder stellten fest, dass über 70 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen türkische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit gewesen seien.

Obwohl die diesjährigen Veranstaltungen zu Neujahr, dem Newroz-Fest, mit mehreren tausend Kurden friedlich verlaufen seien, sieht Schäuble darin keine Entwarnung. Die politischen Verhältnisse in der Heimat der Kurden könnten jederzeit wieder Auswirkungen auf hier zu Lande lebende PKK-Aktivisten haben. Deshalb werde die Polizei in Baden-Württemberg ¸¸das Verbot dieser Vereinigung weiterhin konsequent durchsetzen''.

Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ist hingegen leicht zurückgegangen: von 596 (1998) auf 586 (1999). Noch deutlicher sanken die fremdenfeindlich motivierten Straftaten - von 302 auf 246. In beiden Bereichen handelte sich vor allem um so genannte Propagandadelikte. Dazu zählen das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole und Parolen sowie die Verbreitung volksverhetzender Schriften oder Tonträger wie CDs. Hauptproblem: Obwohl die Anzahl der Delikte sank, sind die Gewalttäter nur schwer fassbar. Sie nutzen modernste Kommunikationsmittel wie Handys und das Internet, um den Kontakt zu halten. ¸¸Damit versuchen sich diese Straftäter den polizeilichen Ermittlungen zu entziehen'', so Schäuble, ¸¸wir werden den hohen Verfolgungsdruck aufrechterhalten''.

Große Sorge macht dem Innenminister das wachsende Gewaltpotenzial. Dies betrifft nicht nur die Gruppe der Skinheads, die 1999 jede zweite rechtsextremistische Straftat verübten. Es betrifft grundsätzlich alle extremistischen Straftäter. Ob Körperverletzung oder Landfriedensbruch, ob Sprengstoffanschlag oder Brandstiftung: Hier gab's ein Plus von fünf Prozent. Ein zusätzliches Problem: Zwar wurden rund 1000 Tatverdächtige ermittelt, die Aufklärungsquote lag aber nur bei 37 Prozent.

Ein leichter Anstieg - von 316 auf 330 Fälle - wurde bei den linksextremistisch motivierten Straftaten registriert. Hierbei, so Schäuble, habe es sich im Wesentlichen um Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit den Europa- und Kommunalwahlen gehandelt. Auch hier wollte Schäuble keine Entwarnung geben. Die jüngsten Unruhen in Heidelberg hätten gezeigt, dass das Potenzial der Antifaschisten und Autonomen ¸¸nicht zu unterschätzen'' sei.