taz Bremen Nr. 6133 vom 4.5.2000 Seite 22

Schutz für kurdische Kinder verlangt

Kinderschutzbund informiert über Lage von des "Asylbetrugs" beschuldigten staatenlosen Kindern aus dem Libanon Die Mehrheit der 531 Personen, die von Innensenator Bernt Schulte (CDU) als "falsche Libanesen" bezeichnet werden, sind Kinder. Obwohl sie nie selbst einen Asylantrag gestellt haben, hier zur Schule gehen oder sogar in Bremen geboren sind, trifft sie wie ihre Eltern der Vorwurf des "Asylbetruges". Sie sind ebenfalls von Ausweisung und Abschiebung in die Türkei bedroht, die sie gar nicht kennen.

Für den Kinderschutzbund war das Anlass genug für eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema. Auf Einladung des Bremer Landesverbandes diskutierten in der Friedensgemeinde Experten mit rund 40 Zuhörern, die überwiegend aus dem Spektrum der Flüchtlings- und Sozialarbeit stammen. Petra Stern, bei der Organisation im Projekt "Kinderschutz für Flüchtlingskinder" tätig, machte die Zielsetzung der Debatte deutlich: Gegen eine Ethnisierung von Konflikten sollte sie zu einer Versachlichung beitragen. Die zentrale Frage war, warum die Integration dieser Jugendlichen gescheitert ist.

Einig waren sich die Anwesenden, dass vor allem der Mangel an Integrationsangeboten dazu geführt habe. "In Essen ist das ganz anders gelaufen," sagte Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill (SPD). Dort lebten 5.000 libanesische Kurden, für die ressortübergreifend ein gesicherter Aufenthaltsstatus erwirkt worden sei, so dass sie auch arbeiten können. Das Arbeitsverbot, so die einhelligen Meinung auf dem Podium, ist ein zentrales Hindernis für die Integration der Gruppe. Die Väter könnten in den traditionell geprägten Familienverbänden nicht als Vorbild wirken. Die Jugendlichen seien ohne Aussicht auf Ausbildung oder Arbeit kaum zum Schulbesuch zu motivieren. Kein Wunder also, dass viele der noch vom Bürgerkrieg geprägten Jugendlichen kriminell wurden, sagte Sozialarbeiter Monier El-Serri, der selbst aus dem Libanon stammt.

Dennoch habe Bremens einziges Integrationsangebot für diese Gruppe in Kattenturm in wenigen Jahren gute Erfolge erzielt, so El-Serri. Weniger optimistisch schätzte das Anwalt Holger Hoffmann (siehe Interview rechts) ein. Nach seinen Erkenntnissen wird eine Reihe junger libanesischer Kurden schwerer Straftaten beschuldigt. Aber gerade darum forderte er verstärkte Integrationsbemühungen. Der Jurist geht davon aus, dass es in kaum einem Fall zu einem Betrugsverfahren kommen wird. Auch nach langjährigen Prozessen, so Hoffmann, könne vermutlich ein Teil der jüngeren Betroffenen bleiben. Das dies nicht längst geklärt sei, liege an der restriktiven Bremer Auslegung der Altfallregelung, die selbst hinter die meisten CDU-geführten Bundesländer zurückfalle. "In diesem Zusammenhang muss man auch nach den politischen Gründen fragen, aus denen jetzt solche Angst geschürt wird", sagte Hoffmann. "Immerhin verhindert ein laufendes Verfahren jede Aufenthaltsverfestigung."

Unter den Kindern macht sich diese Angst schon deutlich bemerkbar. Sie werden von LehrerInnen, MitschülerInnen und Fernsehteams mit der Frage bedrängt, ob sie zu den "Asylbetrügern" gehören, berichtete El-Serri. Barbara Chavez-Ramirez, Kinderärztin im Gesundheitsamt, hat unter betroffenen Kindern schon gehäuft psychosomatische Störungen festgestellt. Die Reaktionen der älteren Jugendlichen seien unterschiedlich: "Die Mädchen ziehen sich auffallend zurück, die Jungen brechen aus." not