junge Welt, 04.05.2000 Kommentar

Abschiedszeremonie für NATO-OB Wesley Clark ... ausgerechnet zum Welttag der Pressefreiheit

An die Spitze seiner »Schwarzen Liste« der Feinde der Pressefreiheit hat das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (Committee to Protect Journalists - CPJ) den früheren Rebellenchef in Sierra Leone, Foday Sankoh, gesetzt. Ihm und seiner RUF-Bande wird vorgeworfen, für den Tod von acht Journalisten innerhalb nur einer Woche verantwortlich zu sein.

Am Mittwoch, dem Welttag der Pressefreiheit, wechselte die militärische Führung der NATO in Europa, der bisherige Oberkommandierene Wesley Clark, Befehlsgeber für die Bombardierung und Ausschaltung jugoslawischer Medieneinrichtungen im vergangenen Jahr, übergab den Stab an seinen Nachfolger, US-Luftwaffengeneral Joseph Ralston. Trotz vorzeitigem Abgang verließ Clark seinen Posten mit Würdigungen überhäuft und belobigt für seine »gute Arbeit« im Krieg gegen Jugoslawien. Zu den »Feinden der Pressefreiheit« wird der hochdekorierte US-General nicht gezählt, obwohl er offensichtlich und unbestritten für die kaltblütige Ermordung von 16 RTS-Mitarbeitern beim NATO- Angriff auf die Zentrale des jugoslawischen Staatsfernsehens im Herzen von Belgrad am 22. April verantwortlich zeichnet.

Doch diese Opfer im Krieg gegen die Medien zählen für CPJ nicht, ihre Namen wurden schon im letzten Jahr wegen der Staatsnähe ihres »Arbeitgebers« nicht in die Liste ermordeter Medienbeschäftigter aufgenommen. Statt dessen zählt die »unabhängige« US-Gruppe Jugoslawien und dessen Präsidenten Milosevic zu den »größten Feinden der Pressefreiheit«. Der lasse wie etwa der geistliche Führer im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, oder Kubas Staatschef Fidel Castro die Arbeitsmöglichkeiten für Reporter behindern, willkürlich Presse-Einrichtungen schließen und mißliebige Journalisten töten. Mit der Wahrheit ist es eben so eine Sache, auch nach dem Krieg - besonders anscheinend an Tagen wie dem der Pressefreiheit. (rg)