Tagblatt (CH), 3.5.2000

Irans Juden Opfer des Machtkampfs?

In der südiranischen Stadt Schiraz ist am Montag der Spionageprozess gegen 13 iranische Juden fortgesetzt worden. Das Verfahren wird von einer aggressiven Kampagne der Konservativen gegen das Reformlager um Präsident Chatami begleitet.

Michael Wrase/Limassol

Chatami hatte noch vergangenen Samstag die Fortsetzung seines Reformkurses bestätigt und seine Anhänger zu Zurückhaltung aufgefordert. Er will vor den für Freitag angesetzten Nachwahlen und der für Ende Monat geplanten konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments, in dem die Reformer führend sind, Konfrontationen mit den von den Konservativen beherrschten Sicherheitskräften vermeiden.

Ein Geständnis?

Die jüdische Minderheit in Iran befürchtet, dass der Machtkampf auf ihrem Rücken ausgetragen werde. Eines der ersten Opfer ist in ihren Augen der jüdische Gemischtwarenhändler Hamid Tefelin. Er habe gestanden, «in Israel ausgebildet und aus Liebe für den jüdischen Staat Informationen für Israel gesammelt zu haben», behauptete ein Sprecher der iranischen Justiz am Montag in Schiraz. Tefelin, der um Gnade gebeten haben soll, habe nicht allein, sondern in einem Spionageteam gearbeitet und sei dafür gut bezahlt worden. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Ismail Nasseri, hat diese Anschuldigungen bestritten.

Staatsanwalt ist Richter

In dem Prozess ist der Richter zugleich Staatsanwalt, weshalb die Fairness des Verfahrens zu bezweifeln ist. Ein Todesurteil für Tefelin und andere Angeklagte bedeutet das Ende der Öffnungspolitik Chatamis gegenüber dem Westen und möglicherweise neue Sanktionen gegen Iran. Die Justiz dürfte sich darüber im Klaren sein.