web.de, 30.04.2000 16:39

Iranische Justiz geht weiter gegen Reformer vor

Vorwurf der Propaganda gegen die Islamische Republik - Offenbar Amtsenthebungsverfahren gegen zwei Minister geplant

Teheran (AP)

Die konservative iranische Justiz geht weiter gegen Reformer vor. Am Sonntag wurden drei prominente Reformer wegen ihrer Teilnahme an einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vor Gericht zitiert. Für die Befragung vor dem Revolutionsgericht in Teheran wurden die drei Männer festgenommen; zwei von ihnen kamen nach dem Verhör am Sonntag wieder auf freien Fuß. Der Studentenführer Ali Afschari blieb dagegen in Haft.

Der Journalist Hamid Resa Dschalaipur, dessen Tageszeitung «Asr-e-Asadegan» in der vergangenen Woche verboten wurde, sagte nach seinem Verhör, dass Gericht habe ihn der Propaganda gegen die Islamische Republik beschuldigt. Seine Teilnahme an der Konferenz in Berlin sei zudem als Akt gegen die iranische Sicherheit gewertet worden. Dschalaipur sagte der Nachrichtenagentur AP, er habe auf der Konferenz lediglich die Reformen in Iran verteidigt und sei dafür von den Exiliranern angegriffen worden: «Es ist eine merkwürdige Situation. Im Ausland werden wir von Gegnern der Revolution als Agenten des islamischen Establishments angegriffen und zu Hause attackieren sie uns als Agenten der Feinde.» Bereits am Samstag waren zwei Reformaktivistinnen wegen der Teilnahme an dem Kongress in Haft genommen worden.

Nach Zeitungsberichten plant das derzeitige von Hardlinern dominierte iranische Parlament in den letzten Wochen seiner Legislaturperiode ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Innenminister und den Kulturminister. Beide gelten als Verbündete von Präsident Mohammed Chatami. Kulturminister Ataollah Mohadscherani hatte die liberale Presse gefördert und im vergangenen Jahr ein Amtsenthebungsverfahren nur knapp überstanden. In der vergangenen Woche hatte die iranische Justiz 16 reformorientierte Zeitungen und Magazine verboten.

Bei der Parlamentswahl im Februar verloren die fundamentalistischen Kräfte zum ersten Mal seit der Islamischen Revolution von 1979 die Kontrolle über das Parlament. Etwa 70 Prozent der Sitze gingen an Anhänger Chatamis. Für den 5. Mai sind Nachwahlen geplant, um die Verteilung von 66 Sitzen zu regeln, für die kein Kandidat die notwendige Mehrheit erlangte. Die Reformer befürchten, dass die Hardliner gewaltsame Auseinandersetzungen anzetteln wollen, um danach militärisch einzugreifen. Dann könnte der Notstand ausgerufen werden, was die für den 27. Mai geplante Eröffnung des neuen Parlamentes verzögern würde.